- 302 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Bergische Biennale 1999, Wittener Tage für neue Kammermusik u.a. Nur vereinzelt war es vorher bei großen Festivals zu hören, z.B. beim Warschauer Herbst 1975. Dabei fällt auf, daß das Akkordeon sehr häufig als Kammermusikinstrument genutzt wird, z.T. in sehr ungewöhnlichen Besetzungen wie z.B. in Madria. Omaggio a Francesco Landini für Akk, Baßklar und Kb von Johannes Schöllhorn. Die Motivation, für diese Besetzung zu komponieren, beruht aber teilweise auf klischeehaften Vorstellungen. So äußerte sich z.B. Schöllhorn dahingehend, daß in Landinis Original Spielmannselemente enthalten seien. Daher sollte sein eigenes Stück ein »gehobenes Straßenmusiktrio« darstellen (Musikpassagen vom 26.10.1999).

Als Soloinstrument scheint es weniger in das Konzertleben integriert zu sein. Das wird auch deutlich, wenn man sich eine Auswahl der in den vergangenen zwanzig Jahren neu entstandenen Kompositionen ansieht, wobei zu bedenken ist, daß die bereits mehrfach angesprochene Bibliographie nicht vollständig ist und daher auch nicht genau die Verhältnisse von existierender und aufgeführter Akkordeonmusik abbildet. Dennoch scheint sie eine Tendenz widerzugeben. Volker Heyns Quetsch (1986/87) wird als ähnlich bahnbrechendes Werk wie Nørgards Anatomic Safari angesehen, das durch die Einbeziehung von Pfeifen, Stampfen oder Schnaufen die Klangwelt des Akkordeons erweitern soll (vgl. Eschenbacher 1991, 539). Ob dies aber deshalb eine so fortschrittliche Akkordeonkomposition ist, bleibt zu fragen, da die hier geforderten Geräusche nicht instrumentenimmanent sind, wie das z.B. in der zum Vergleich herangezogenen Anatomic Safari der Fall ist.

In die Phase des ›Aufblühens‹ der Akkordeonliteratur fällt auch der Versuch, 1983 und 1986 die Trossinger Musiktage wiederzubeleben (vgl. Eschenbacher 1991, 509), was aber nicht gelang, weil die Hohner Direktion dies in Zeiten wirtschaftlicher Krisen nicht mehr wie einst unterstützte (vgl. Eschenbacher 1991, 516).

Ein neuer Aspekt sei – nach Aussagen Jürgen Löchters – die Integration des Akkordeons ins Tanztheater durch seine beiden Werke Tanzmarie und Woyzeck (vgl. Bibliographie). Ebenso existieren aber auch Werke über (!) das Akkordeon, z.B. das Theaterstück Klavier am Hosenträger. Ein gefaltetes Hör - & Sehstück (1998) oder Werke, die das Akkordeon in Korrelation mit dem Instrumentalisten als Teil einer Performance ansehen und damit die Ebene der Bühnen- mit der der real erklingenden Musik (›Orchestermusik‹) vermischen, wie das z.B. bei Wilkins‘ Piece for accordion with screens (1988) der Fall ist. An den zuletzt genannten Werken läßt sich der Gedanke einer Symbiose verschiedener Künste erkennen. Das ist vergleichbar mit dem, was Wassily Kandinsky in seinen Schriften gefordert hat und z.B. im Gelben Klang umgesetzt haben wollte: Obwohl Wort, Klang und Bewegung, also die verschiedenen Künste, etwas zunächst völlig Getrenntes bedeuten,


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