- 299 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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schrieb. Die Trossinger Musiktage waren das ›Musikfestival‹, das zur Verbreitung solch neuer Akkordeonliteratur diente, sozusagen ›das Donaueschingen der Akkordeonisten‹, obgleich dieser Bewertung hinzugefügt werden muß, daß die Zahl der Uraufführungen im Laufe der Jahre abnahm und die Veranstaltung zu einer Ghettoisierung des Akkordeons beitrug (vgl. Eschenbacher 1991, 189). Eines der ›Übergangswerke‹ der Einzeltonliteratur stellt das Märchen für Akkordeon und Orchester Pohádky (1959) von Václav Trojan dar, einem tschechischen Komponisten, der überwiegend aus dem Bereich der Filmmusik bekannt ist, u.a. durch die Filmmusik zu Der brave Soldat Schwejk (1954) (vgl. auch Thiel, 234; 407). Mit Pohádky greift er die von Zilcher und Herrmann begonnene Tradition der Literatur für Akkordeon und Orchester auf, führt sie aber insofern darüber hinaus als er eines der wenigen und – möglicherweise zu diesem Zeitpunkt – ersten programmatischen Werke schreibt. Bis heute ist der Bereich der Programmusik für Akkordeon, von der dahingehend zahlreich existierenden Unterrichtsliteratur einmal abgesehen, sehr vernachlässigt bzw. kaum ausgeprägt. Trojan hat diese Gattung neben Niels Viggo Bentzons In The Zoo, das in seinem Aufbau mit Mussorkskys Bilder einer Ausstellung vergleichbar ist, mit einigen wenigen Werken bereichert. Ein sehr markantes Stück ist Die zertrümmerte Kathedrale (1963), ein Werk, das unter dem Motto »Als ich die Trümmer von Dresden sah, wurde ich nachdenklich und war dem Weinen nah.« den Eindruck der Zerstörung Dresdens widergibt und mittels verschiedener musikalischer Mittel, z.T. durch Polytonalität, das Bild des Grauens vor Augen entstehen lassen kann. Trojans programmusikalisches Schaffen für Akkordeon steht in engem Zusammenhang mit seinen Filmmusiken, die er z.T. für dieses Instrument in kammermusikalischer Besetzung bearbeitet hat. So ist nicht verwunderlich, daß seinen beiden weiteren Werken (vgl. auch Bibliographie am Schluß des Aufsatzes) ›märchenhafte Stoffe‹ zugrunde liegen.

Erst ab etwa 1960 sind kompositorische Impulse, die der zeitgenössischen Musik verhaftet sind, zu erkennen. (Mit der Einbeziehung des Akkordeons in die zeitgenössische Musik endete die Neuschöpfung von Konzertliteratur für das Standardbaßmanual (M2), welches durch seit 1962 aufkommende Einzeltonmanualwerke verdrängt wurde. Das letzte Konzertstück für M2 – im oben erläuterten Sinne zu verstehen – ist das 1962 entstandene Capriccio von Wolfgang Jacobi.) Durch den Akkordeonisten Mogens Ellegaard wurden die Werke skandinavischer Komponisten wie Leif Kayser, Niels Viggo Bentzon, Ole Schmidt, Torbjörn Lundquist u.a. bei den Trossinger Osterarbeitswochen vorgestellt, die das Akkordeon sowohl als Solo- als auch als Kammermusikinstrument einbeziehen. Sie nutzen verstärkt die flexiblen Ausdrucksformen des Instruments über die Erzeugung von Vierteltönen durch Über- oder Unterdruck bis hin zum mechanischen Geräusch der Register und Tasten,


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