- 297 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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dem Akkordeon vielfach bis in die 50er Jahre hinein abgesprochen. So spricht z.B. Wilhelm Keller von dem »verschlampten Harmoniumsersatzklang des Akkordeons« oder davon, daß es »zur abgesunkenen bürgerlichen Hausmusik in ihrer verwaschensten Form« gehöre, von vielen weiteren Aussagen dieser Art ganz zu schweigen (vgl. Keller, 771). Dennoch gab es nach den Sieben neuen Spielmusiken zunächst einmal einen Bruch. Die zweite Originalmusik für Akkordeon-Solo entstand erst 1933 mit Herrmanns Schwäbischer Dorfmusik . Dieses Werk knüpft auch seitens des Titels an das eher Bekannte als an das Neue an. Im gleichen Jahr entstand das erste Akkordeon-Orchesterwerk, der Rhapsodische Walzer Nr. 1 von Friedrich Haag.

Ab 1933 wird das Akkordeon verstärkt in die Kammermusik einbezogen. Wichtige Werke sind in diesem Zusammenhang unter anderem Variationen über ein Thema von Mozart (Vl, Akk) von Hermann Zilcher, der auch als erster ein Werk für Akkordeon und Sinfonieorchester komponierte, Konzert für Akkordeon und Streichorchester von Hugo Herrmann, Die Harfe von Friedrich Haag für Harfe und Akkordeon. In Donaueschingen spielt das Akkordeon besonders 1934 eine größere Rolle. Hugo Herrmann ist mit seinen Kompositionen in mehreren Kategorien vertreten, nicht nur im Rahmen der Musik für Handharmonika. Daß dieses Musiktreffen nicht vom Jargon der Nationalsozialisten verschont blieb, zeigt u.a. eine Äußerung Hugo Herrmanns:

»Aus dem Schoß der so vorbereiteten deutschen Volksgemeinde erst kann der Schaffende in schicksalhafter Verkettung mit seiner Gemeinschaft eine neue wertvolle Volksmusik erwachsen lassen. Es gibt dann eigentlich [...] keine Grenzen zwischen Volks - und Kunstmusik mehr; das eine bedingt das andere, und für das Volk ist das Beste gut genug, um es zu erheben.«  (Häusler, 118)

Häusler spricht zurecht von einem »Tanz ums braune Kalb« im Jahre 1934 (Häusler, 118). Daß dieser Tanz sich nicht allein auf das Jahr 1934, sondern auf den gesamten Zeitraum von 1933–1945 erstreckt, in welchem die Nationalsozialisten die Harmonika »als Vehikel zur Propagierung faschistischer Ideen« (Eickhoff 1999, 165) nutzten, weist Eickhoff in seinem Beitrag zum 1995 in Wuppertal abgehaltenen Symposion Die dunkle Last nach (vgl. ebd. 1999, 146–183).

In der Zeit zwischen 1933 und 1945 entstehen drei Kompositionsströmungen: Einige Werke orientieren sich an den barocken Formen und Titeln – wie z.B. Toccata oder Präludium –, andere beziehen sich mehr auf die für die Klassik typische Sonate bzw. Sonatine, wobei festzuhalten ist, daß die erste Sonatine für Akkordeon 1938 von Josef Lechtaler, die erste Sonate (Sonate in C) aber erst 1949 durch Ernst Lothar von Knorr geschrieben


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