- 292 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Ein wichtiger Name für die Weiterentwicklung der Handharmonikas ist Matthäus Bauer, der 1838 Tonkanzellen und Stimmstöcke eingeführt, 1854 das erste nachweisbare Pianoakkordeon und 1890 ein Einzeltoninstrument entwickelt hat. Letzteres beinhaltete allerdings nur Einzeltöne ohne den heute allseits bekannten Standardbaß, der einen vorgefertigten, nicht nach Lagen variierbaren Akkordvorrat enthält. Die Diskantseite war gleich-, die Baßseite aber wechseltönig. Erst das Einzeltoninstrument war auf beiden Seiten gleichtönig; das erste akkordisch gleichtönige Instrument entstand 1870. 1935 wurde der Standardbaß um die Terzbaßreihe erweitert. Die Umschaltmechanik (Einzelton – Standardbaß) wurde 1936 entwickelt, die Möglichkeit durch Vorlagerung des Einzeltonbasses beide Manuale gleichzeitig zu nutzen, existiert seit 1938.

Mit den Tonkanzellen wurde 1838 die sog. Tremolostimmung eingeführt, die heute häufig u.a. in der volkstümlichen Musik angewendet wird. Dadurch kam ein zweiter Chor hinzu, ein dritter folgte 1875. Endgültig abgeschlossen wurde die Entwicklung des Akkordeons Mitte der 50er Jahre, als man zur klanglichen Veredelung das sog. Cassotto einbaute, das durch eine andere Ausrichtung der Stimmstöcke eine direkte Abstrahlung der Töne verhindert und sie dämpft.

Parallel zum Akkordeon entwickelten sich das Bandoneon und die Concertina. 1834 baute der Chemnitzer Carl Friedrich Uhlig eine eigene Art der Handharmonika, die Deutsche Concertina. Heinrich Band lernte dieses Instrument kennen und entwickelte daraus das Bandoneon, das er sich 1846 patentieren ließ. Ab 1875 organisierte man sich in Bandoneon-Vereinen – der erste entstand in Hamburg. Diese Bewegung nahm ca. 1936 ihr Ende (vgl. Graf, 160; 477). Unabhängig von der Deutschen entwickelte sich in England die Englische Concertina, die im Konzertsaal Einzug hielt, besonders im Rahmen von Virtuosenkonzerten, und ihren Höhepunkt 1850 hatte. Sie war 1829 von Charles Wheatstone patentiert worden und ist ein reines Melodieinstrument ohne Baßbegleitung.

Das Akkordeon wurde erst nach dem ersten Weltkrieg durch die Tanz- und Jazzmusik berühmter, indem Pianisten ihre Kenntnisse auf das neue Instrument zu übertragen glaubten, was häufig »in einer Flut von pseudovirtuosen Fox-Intermezzi mit schematischer ›Klettermaxe-Akrobatik‹« ausartete (Fett 1957, 23). Das Akkordeon bildete fast immer das Zweitinstrument. Das ist auch der Grund, warum sich das Pianoakkordeon gegenüber dem Knopfinstrument durchsetzte. Der in der Tanzmusik benötigte Standardbaß störte in der Kunstmusik ebenso wie das Tremolo. Allerdings wurde daran erst nach dem zweiten Weltkrieg gearbeitet. Ein bereits 1933 von Willy Hintermeyer patentiertes »akkordfreies Akkordeon« (Hintermeyer zitiert


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