- 28 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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»Und dann – groteskerweise – ließ ich mir ein Briefchen an Blacher schreiben von Johannes Schüler, unserem großen Kapellmeister in Berlin, der die Symphonie uraufgeführt hatte. Und der willige Hausmeister von Blacher erhielt fünf Mark, sperrte mir dessen Wohnung auf und ich betrat – ohne daß er da war – seine Wohnung und legte ihm auf’s Bettchen einen Brief, er möge mich anrufen. Und so kam es – das war dann etwas sehr Erstaunliches: er rief mich an, und wir verabredeten uns zum Essen bei mir in der Brückenallee beim Schloß Bellevue in der sehr schönen Wohnung, und ich sagte: ›Ich möchte bei Ihnen studieren, ich habe vor Jahren Ihre Symphonie gehört. [...] Ich stelle mir vor, daß ich nach den Sommerferien im September, wenn wir also zurückkommen nach Berlin, bei Ihnen anfange.‹ Sagte er: ›Oh nein, das würde ich nicht für gut halten. Wissen Sie was? Sie kommen Morgen zu mir!‹ Und ich weiß heute, wie gescheit das war, denn ich wollte natürlich Ausflüchte nehmen. Und dann haben wir 1 1/2 Jahre jede Woche zweimal Gespräche gehabt, und zwar Gespräche merkwürdigster Art. Ich kam immer kurz vor 11 Uhr, das hatten wir abgemacht, um 11 Uhr gab es nämlich zwei Sendungen. Es war Krieg (1941/42), Radio Moskau und Big Ben – also London BBC – das waren die Kriegsnachrichten. Und Gott behüte, wir wären betrogen worden, dann wäre das Köpfchen weggewesen oder mindestens einige Jahre darauf, zumal ich ja vorher bei der Gestapo schon gesessen war, 1938 nämlich.«

Auch dieses Beispiel mag veranschaulichen, daß Protektion als Resultat glücklicher Fügung oder bewußter Steuerung ein Signum darstellte, welches die Künstlerkarriere von Einems von Beginn seines steilen Aufstiegs an durchzog. 1918 in eine preußische Offiziersfamilie monarchistischer Prägung hineingeboren, wuchs der seit Kindesbeinen an Komposition interessierte Gottfried zunächst in Schleswig-Holstein als Schüler einer nationalpolitischen Erziehungsanstalt auf und erlebte somit frühzeitig den aufkeimenden Nationalsozialismus, dem er institutionalisiert oder personifiziert noch manchesmal wiederbegegnen sollte. Die musikpolitischen Dimensionen Hitler-Deutschlands wurden dem jungen von Einem spätestens in Berlin präsent, wohin ihm seine Patentante, eine Schwester Hermann Görings, den Weg gewiesen hatte. Nachdem ein intendiertes Kompositionsstudium ohne den mittlerweile emigrierten Paul Hindemith als Lehrer inakzeptabel schien, wandte er sich der Theaterpraxis zu. Von Einem kam an die Staatsoper Unter den Linden, protegiert von dem Wagner-Tenor Max Lorenz, dem Generalintendanten Heinz Tietjen und dem Dirigenten Wilhelm Furtwängler, mit dem von Einem auch später noch eine Freundschaft verband. Als Korrepetitor bzw. sogenannter »Opernlehrling« mit zahlreichen Werken des zeitgenössischen Musiktheaters in Berührung gekommen, entdeckte von Einem


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