- 27 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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kann. Wie Heribert Henrich 199314
14 Ausstellungskatalog Blacher, 72.
unter Berücksichtigung bislang unbekannter oder verschollen geglaubter Kompositionen Blachers präzisieren konnte, »treffen sich darin all jene Tendenzen, die in den 20er Jahren das musikalisch Neue verkörperten.« Folglich war abzusehen, daß Blacher nach der nationalsozialistischen Machtergreifung möglicherweise in das Kreuzfeuer der ideologisierten Musikpolitik geraten würde: Mit seinen vor 1933 entstandenen Werken hatte der Komponist nicht nur sein Interesse an jüdischen Volksliedern und Jazzmusik dokumentiert, sondern u.a. auch mit der Vertonung politischer Parolen seine Sympathie für den Sozialismus bekundet.

Obschon Blacher mit der von den Berliner Philharmonikern 1937 uraufgeführten Concertanten Musik op. 10 seinen eigentlichen Durchbruch erzielt hatte und als avancierter Komponist galt, trat jedoch 1938 nach der Aufführung seiner zwiespältig beurteilten Geigenmusik im Rahmen der Reichsmusiktage die ambivalente Haltung der ideologisierten Musikpolitik deutlicher zutage.15

15 Vgl. Thomas Eickhoff, Kalter Intellekt in der Nachfolge Strawinskys? Zu Boris Blacher und der Rezeption seiner Werke im Nationalsozialismus, in: Günther Wagner (Hrsg.), Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz 1999, Stuttgart/Weimar 1999, 153–176
So spitzte ein Musikkritiker namens Schönewolf das »Phänomen Blacher« in den Leipziger Neuesten Nachrichten vom 26. Mai 1938 auf eine Grundsatzfrage nationalsozialistischer Musikpolitik wie folgt zu: »Blacher bleibt der umstrittene Mann des Tages, der die Gemüter erregte. Entartet oder nicht entartet? Das ist bei seinen Werken die Frage.« (Ausstellungskatalog Blacher, 79) Eine offizielle Antwort auf diese Kritikerfrage, etwa von Vertretern behördlicher Stellen, die ein Aufführungsverbot hätten verhängen können, blieb jedoch aus. Somit konnte der Dirigent Johannes Schüler ungehindert in einem Konzert der Preußischen Staatskapelle in der Staatsoper Unter den Linden am 5. Februar 1939 ein Werk Blachers zur Uraufführung bringen, welches die Aufmerksamkeit seines späteren Schülers Gottfried von Einem auf sich zog und dessen Interesse am Komponisten Blacher weckte: die 1938 entstandene zweite Symphonie in drei Sätzen op. 12 für großes Orchester.

Wie von Einem im Gespräch erklärte, war es eine Art »später Erkenntnis«, daß er sich erst zwei Jahre nach der Uraufführung der Blacher’schen Symphonie dazu entschloß, den Komponisten zu bitten, ihn zu unterrichten. Hatte es der gehemmte Jungkomponist 1939 am Premierenabend angeblich nicht gewagt, Blacher anzusprechen, so war im März 1941 die kollegiale Unterstützung durch den Uraufführungsdirigenten der Symphonie der entscheidende Impuls für von Einem gewesen, sein Vorhaben in die Wege zu leiten, wie er in einem Rundfunkgespräch 16

16 Alles über Musik – Gottfried von Einem im Gespräch mit Robert Werba. Rundfunksendung des ORF v. 25. Januar 1993.
mitteilte:

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