kann. Wie Heribert Henrich 199314
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Ausstellungskatalog Blacher, 72. |
unter Berücksichtigung bislang unbekannter oder verschollen geglaubter
Kompositionen Blachers präzisieren konnte, »treffen sich darin
all jene Tendenzen, die in den 20er Jahren das musikalisch Neue verkörperten.«
Folglich war abzusehen, daß Blacher nach der nationalsozialistischen
Machtergreifung möglicherweise in das Kreuzfeuer der ideologisierten
Musikpolitik geraten würde: Mit seinen vor 1933 entstandenen Werken
hatte der Komponist nicht nur sein Interesse an jüdischen Volksliedern
und Jazzmusik dokumentiert, sondern u.a. auch mit der Vertonung politischer
Parolen seine Sympathie für den Sozialismus bekundet.
Obschon Blacher mit
der von den Berliner Philharmonikern 1937 uraufgeführten
Concertanten Musik op. 10 seinen eigentlichen Durchbruch erzielt hatte
und als avancierter Komponist galt, trat jedoch 1938 nach der Aufführung
seiner zwiespältig beurteilten Geigenmusik
im Rahmen der Reichsmusiktage die ambivalente
Haltung der ideologisierten Musikpolitik deutlicher zutage.15
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Vgl. Thomas Eickhoff, Kalter Intellekt in
der Nachfolge Strawinskys? Zu Boris Blacher
und der Rezeption seiner Werke im Nationalsozialismus, in: Günther
Wagner (Hrsg.), Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung
Preußischer Kulturbesitz 1999, Stuttgart/Weimar 1999, 153–176
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So spitzte ein Musikkritiker namens Schönewolf das »Phänomen
Blacher« in den Leipziger Neuesten Nachrichten vom 26. Mai 1938 auf
eine Grundsatzfrage nationalsozialistischer Musikpolitik wie folgt zu: »Blacher
bleibt der umstrittene Mann des Tages, der die Gemüter erregte. Entartet
oder nicht entartet? Das ist bei seinen Werken die Frage.« (Ausstellungskatalog
Blacher, 79) Eine offizielle Antwort auf diese Kritikerfrage, etwa von Vertretern
behördlicher Stellen, die ein Aufführungsverbot hätten verhängen
können, blieb jedoch aus. Somit konnte der Dirigent Johannes Schüler
ungehindert in einem Konzert der Preußischen Staatskapelle in der Staatsoper
Unter den Linden am 5. Februar 1939 ein Werk Blachers zur Uraufführung
bringen, welches die Aufmerksamkeit seines späteren Schülers Gottfried
von Einem auf sich zog und dessen Interesse am Komponisten Blacher weckte:
die 1938 entstandene zweite Symphonie in drei Sätzen op. 12 für
großes Orchester.
Wie von Einem im Gespräch
erklärte, war es eine Art »später Erkenntnis«, daß
er sich erst zwei Jahre nach der Uraufführung der Blacher’schen Symphonie
dazu entschloß, den Komponisten zu bitten, ihn zu unterrichten. Hatte
es der gehemmte Jungkomponist 1939 am Premierenabend angeblich nicht gewagt,
Blacher anzusprechen, so war im März 1941 die kollegiale Unterstützung
durch den Uraufführungsdirigenten der Symphonie
der entscheidende Impuls für
von Einem gewesen, sein Vorhaben in die Wege zu leiten, wie er in einem Rundfunkgespräch
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Alles über Musik – Gottfried
von Einem im Gespräch mit Robert Werba. Rundfunksendung des ORF v.
25. Januar 1993. |
mitteilte:
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