Im Geigenunterricht bei einem polnischen Schüler Henri Marteaus
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lernte Blacher die Musik von Richard Strauss und Claude Debussy »in
Klavierfassungen der Orchesterwerke – oder nur in Erzählungen«
eher oberflächlich kennen8,
Noch zu Beginn seiner Berliner Studienzeit war Blachers Kenntnis der Werke
Strauss’ im Kontext Neuer Musik eher unfundiert, denn im Hinblick auf die
Strömungen der musikalischen Avantgarde im Berlin der 20er Jahre konnte
die Musik des deutschen Spätromantikers keineswegs als Inbegriff der
Moderne gelten, wie Blacher zunächst jedoch glaubte.9
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Blacher, Neuland Rhythmus, a.a.O.,
409. |
Nach Ankunft in Berlin
im Oktober 1922 nahm Blacher anfangs zwar ein Architekturstudium an der Technischen
Hochschule (später: Technische Universität) auf, doch nicht all
zu lange »unterwarf« sich der Sohn dem väterlichen Willen.
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Blacher, Neuland Rhythmus, 409.
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Die Affinität zur Musik setzte sich durch: An der Berliner Musikhochschule
wurde Blacher 1924 Privatschüler von Friedrich Ernst Koch (1862–1927),
der als Komponist »außerhalb aller herrschenden Richtungen«
stand. Stuckenschmidt zufolge ging Kochs Musik auf die »frühe
Romantik mit klassizistischem Einschlag« zurück und nahm »von
Wagner und Brahms so wenig Kenntnis wie von den Fortschritten der damals
modernen Schulen.« Blacher, der bei Koch nach eigener Aussage nicht
mehr Harmonielehre, sondern »in der Hauptsache Kontrapunkt, nach Bellermann«
arbeitete11,
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Wolfgang Burde, Interview mit Boris Blacher
, in: Neue Zeitschrift für Musik 134. Jg. (1973), Heft 1, 20.
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zeigte sich in dieser »strengen und soliden Schule« offenbar
so begabt12,
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Blacher, Neuland Rhythmus, a.a.O.,
410. |
daß er, nachdem Koch erkrankt war, ihn vertreten und seine Schüler
in dieser Richtung weiterführen konnte. Neben diesen pädagogisch
noch weitreichend wirkenden Erfahrungen mit einer soliden Handwerkslehre
hinsichtlich Blachers späterer Tätigkeit als Kompositionslehrer,
hinterließen aber auch die Neigungen zur Moderne in Blachers kompositorischen
Übungsstücken Spuren, so daß der eher konservative Lehrer
Koch »etwas unfriedlich an seiner Pfeife« zog – wie Blacher kommentierte
– »wenn er in meinen Noten gewaltige Dissonanzen entdeckte.« (ebd.)
Für Blacher war
Unterhaltungsmusik nicht nur seit Kindertagen prägend gewesen, sondern
darüber hinaus auch eng mit der kompositorischen Tätigkeit im Berlin
der Zwanziger Jahre verwoben, so daß angesichts des tiefgreifenden
Wandels im Musikleben der Weimarer Republik13
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Vgl. dazu ausführlich Hermann Danuser,
Die Musik des 20. Jahrhunderts ( = Neues Handbuch der Musikwissenschaft,
hg. v. Carl Dahlhaus, Bd. 7), Laaber 1992, 146ff. |
Blachers frühes Schaffen daher als ein charakteristisches Spiegelbild
seiner Zeit gelten
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