- 215 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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in Österreich eine lange und berühmte Tradition [...] Aber ich persönlich finde es unpassend und vielleicht auch Ihren hohen Ämtern nicht entsprechend, daß Sie meine runden Geburtstage zu einer Art Reinwaschung verwenden, anstatt zumindest den Versuch zu unternehmen, Unrecht zu verhindern – nicht bei mir, denn dazu ist es zu spät, aber bei anderen. Und ich möchte dieser Heuchlerei, die nur meinen Tod abwartet, um mich posthum zum Österreicher ernennen zu können, keinen Vorschub leisten. Noch bin ich am Leben, noch kann ich mich dagegen wehren.« (Kreisler, Brief nach Wien)

Dieser Brief zeigt, daß Georg Kreisler nach wie vor politisch aktiv ist und seine Aussagen an Schärfe nichts verloren haben. Er kritisiert die Verlogenheit des österreichischen Kulturbetriebes, der mit Ausdauer und Erfolg jungen kritischen und extravaganten Künstlern das freie Arbeiten durch Zensur und Boykott erschwert oder gar unmöglich macht. Die meisten der Kreisler-Lieder hatten ebenfalls unter dieser Situation zu leiden. Sie wurden bei ihrem ersten Erscheinen viel diskutiert, sorgten besonders in Österreich in den 50er und 60er Jahren für Aufsehen bei Kritikern, Rundfunk- und Fernsehredakteuren und wurden von denselben oft gemieden.

11 Zusammenfassung

Georg Kreislers ist, wie seine Biographie gezeigt hat, sehr vielschichtig und beeinflußte die Geschichte des Kabaretts in besonderer Weise. Er verbindet in seiner einzigartigen Arbeitsweise die verschiedensten Gestaltungsmittel. Der schwarze Humor, den er mit viel Feingefühl und großer Behutsamkeit in einer Verbindung aus Musik und Dichtung verwendet, prägte seinen Stil in den 50er Jahren entscheidend. Die Verbindung des schwarzen Humors mit skurrilen und grotesken Einfällen wirkt dabei wie ein scheinbar oberflächliches Vergnügen. Dennoch ist es wichtig zu betonen, daß Kreislers Lieder nicht nur das Gestaltungsmittel des schwarzen Humors aufweisen, obwohl er diesen in den 50er Jahren als bevorzugtes Stilmittel benutzte. In den 60er und 70er Jahren entwickelte er seinen makabren, grotesken Stil differenziert weiter.

Die Chansons sollen den Zuhörer nicht nur amüsieren und unterhalten, sondern auch zum Nachdenken anregen. Seine Lieder sollen eine Bewußtseinsbildung beim Publikum erreichen. Er will auf gesellschaftliche und politische Mißstände aufmerksam machen und das Bewußtsein der Zuhörer für Probleme schärfen und erweitern. Dies war in den 50er Jahren, in denen seine schwarz humorigen, sarkastischen Lieder entstanden, eine heikle Angelegenheit. Gerade nach dem 2. Weltkrieg und im langersehnten wirtschaftlichen Aufschwung war das Publikum nicht bereit, sich sozial und politisch zu engagieren.


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