- 214 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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der Zeit, ein Moralist, ein Poet, ein Parodist, ein Rebell, ›sprachverbuhlt‹ wie Nestroy, überwirklich wie E.T.A. Hoffmann...«  (Weigel in: Kreisler, Ich weiß nicht, 150)

Die Aussagen der Lieder sind immer noch aktuell. Sie kritisieren auf realistische Art und Weise gesellschaftliche und politische Mißstände wie das Desinteresse des einfachen Bürgers an Politik, die Unfähigkeit von Politikern und Beamten, demokratische Grundgedanken zu vertreten, die Konsumgesellschaft und den übertriebenen Fortschrittsgedanken, die Umweltverschmutzung und das Atomkraftproblem.

10 Georg Kreisler in den 90er Jahren

Sein Einfallsreichtum scheint unerschöpflich zu sein, so wie auch seine Motivation und Hoffnung, etwas mit seinen Liedern beim Publikum zu bewirken. Seine beiden letzten CDs Taubenvergiften für Fortgeschrittene (1995) und Fürchten wir das Beste (1997), beide in Zusammenarbeit mit seiner Frau Barbara Peters entstanden, beweisen dies. Anläßlich seines 75. Geburtstages nahm Georg Kreisler im Frühjahr 1998 die CD Die alten bösen Lieder mit einem Querschnitt seines Gesamtwerkes auf. Mit diesem Programm tourte er 1998 in Deutschland.

Selbst mit 75 Jahren ist er immer noch aktiv, ob auf künstlerischer oder politisch-gesellschaftskritischer Ebene: Am 1.10.1996 veröffentlichte unter anderem die Süddeutsche Zeitung einen offenen Brief Kreislers mit dem Titel Bitte keine Glückwünsche mehr!, der an den österreichischen Bundespräsidenten und den Bundeskanzler, den Minister für Kunst und Wissenschaft, als auch an den Wiener Bürgermeister und die Stadträtin für Kultur gerichtet war. Dieser Brief ist auch im CD-Heft zur CD Fürchten wir das Beste abgedruckt. Zum einen möchte Kreisler keine Geburtstagsglückwünsche zu seinem 75. Geburtstag von den offiziellen Vertretern der Stadt Wien und dem Land Österreich erhalten, da er, obwohl in Wien geboren und 1938 unter Lebensgefahr ins Ausland geflüchtet, 1945 seine österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr zurückbekam. Um sie zu erhalten, müßte er bei Gericht darum ersuchen, was er nicht beabsichtigt.

Zum anderen stellt er fest, daß die Republik Österreich ihn als Künstler in seiner 40jährigen Arbeit in Europa noch nie, egal in welcher Form, unterstützt hat. Meistens wurden seine Beiträge zu öffentlichen Rundfunk- und Fernsehsendungen zensiert und boykottiert:

»Glücklicherweise hat man mir nie die Chance gegeben, Sehnsucht nach Österreich zu haben. Ich weiß – die Künstlerverhinderung hat


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