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Georg Kreisler in Berlin
Nach der Trennung von seiner Frau Topsy Küppers siedelte Kreisler nach
Berlin über und ging mit verschiedenen Soloprogrammen auf Tournee, darunter
Autobiographie (1971), Ich weiß nicht,
was soll ich bedeuten (1972) und Unheilbar
gesund (1975). Seine Lieder waren Ende der
60er Jahre zunehmend von einer Resignation bestimmt, die sich in den 70er
Jahren in eine kämpferische Einstellung für Frieden und gegen Restauration
und Neonazismus umwandelte. Dabei gab Kreisler keinesfalls sein differenziertes
Sprachgefühl und seinen feinen Sinn für Humor und Satire auf. Im
Gegenteil, seine Vorletzten Lieder von 1972,
darunter Der Kämpfer,
Der Furz und Das Kabarett ist tot zeigen
sein politisches und gesellschaftskritisches Engagement, ausgedrückt
durch geistreiche Wortgewandtheit. Er übte Kritik an der Konsum- und
Leistungsgesellschaft, an Umweltverschmutzung und Atomkraftwerken und warnte
vor deren Folgen.
Auch das Album Mit dem Rücken gegen die Wand
von 1981, das er in Zusammenarbeit mit Barbara Peters herausbrachte, befaßte
sich mit den Auswüchsen der Konsumgesellschaft. Mit Liedern wie
Die kleinen Männer mit der riesengroßen
Macht, Das Begräbnis der Freiheit
und Der Staatsbeamte wollte Kreisler auf die
Mißstände der Demokratie hinweisen. Er prangerte die Oberflächlichkeit
und Gefühlsarmut der Gesellschaft an, die nur auf Äußerlichkeiten
wie Beruf, Geld und Macht aus ist.
Neben den Auftritten vor Publikum arbeitete Kreisler weiter für Rundfunk
und Fernsehen. Er gab mehrere Textsammlungen mit den Texten seiner rund 600
Lieder heraus.1
1
Sie sind dem Literaturverzeichnis zu entnehmen. |
1989 verfaßte er das in diesem Aufsatz mehrfach zitierte Erinnerungsbuch
Die alten bösen Lieder, in dem
er Interessantes aus seiner damaligen Arbeit als Kabarettist erzählt.
Seit über 40 Jahren ist Kreisler in vielfältigster Weise in der
Musikbranche tätig und seine Werke sprechen nach wie vor an.
Auf der einen Seite äußert er mit seinem sensiblen Sprachgefühl,
das er mit Humor und Melancholie verbindet, anspruchsvolle Tiefsinnigkeit
und Emotionen. Auf der anderen Seite machen die witzigen und geistreichen
Wortspielereien, die er zum Beispiel beim Max auf
der Rax oder beim Bluntschli für
seine Nonsenspoesie benutzt, deutlich, wieviel Phantasie und Vorstellungskraft
er besitzt und auf den Zuhörer überträgt.
»Er ist nun schon ... längst über den Tageserfolg
hinaus zu einem echten, zeitbeständigen
Œuvre gelangt, das unverwechselbar
seine Handschrift zeigt, aber nicht zur Manier entartet. Er ist
ein Bursche von unendlichem Humor
und tiefer Melancholie, bedrängt
vom Gewissen
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