- 209 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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7 Kabarett ohne Namen

Diese Unterschiede in der Auffassung des Berufs ›Kabarettist‹ zeigten sich auch in der Zusammenarbeit zwischen Wehle, Bronner und Kreisler von 1956 bis 1959. Gerhard Bronner hatte das Intime Theater in der Liliengasse gemietet und Helmut Qualtinger, Peter Wehle, Carl Merz, Louise Martini und Georg Kreisler erklärten sich bereit, im Ensemble mitzuwirken. Die Programme Blattl vorm Mund (1956), Glasl vorm Aug (1957), Spiegel vorm G‘sicht (1958) und Dachl über‘m Kopf (1959) waren jedoch hauptsächlich auf Helmut Qualtinger ausgerichtet und beinhalteten überwiegend nichtssagende Blödelnummern.

Schnell stellte sich für Kreisler heraus, daß er nicht die gleichen Vorstellungen bezüglich einer Ensemble-Arbeit hatte wie seine Kollegen. Was Kreisler besonders zu beanstanden hatte, war, daß die sechs Ensemble-Mitglieder nicht miteinander arbeiteten. Zudem waren die Nummern weder gesellschaftskritisch noch beinhalteten sie eine politische Aussage.

Auch die Proben waren von einer sehr strapazierten Stimmung bestimmt, was nicht zuletzt mit den unterschiedlichen Charakteren der Kabarettisten und ihren Absichten bezüglich des Ensembles zusammenhing:

»Wenn ich heute, mehr als dreißig Jahre danach, auf die damalige Zeit zurückblicke, so kann ich nur feststellen, daß ich offensichtlich sehr naiv gewesen sein muß. Was ich nämlich für ein Team hielt und was auch von einem nichtsahnenden Publikum und noch ahnungsloseren Kritikern für ein Team gehalten wurde, war alles, nur kein Team. Wir waren Einzelpersonen, und jeder kochte sein eigenes Süppchen.«  (Kreisler, Erinnerungsbuch, 101)

Dieser Bericht von Kreisler, einem unmittelbar Betroffenen, relativiert die oft gelobte Kollegialität und Teamarbeit des namenlosen Ensembles enorm. Vielleicht war es wegen dieser unüberwindbaren Differenzen ohne Namen geblieben. Kreisler zog für sich folgenden durchaus allgemein gültigen Schluß aus seinen Erfahrungen als Mitglied eines Ensembles: »Ein Kabarett-Ensemble kann nur auf Dauer funktionieren, wenn jedes Mitglied überzeugt ist, daß es einen wesentlichen Anteil am Programm hat. Nur so kann ein gutes Programm entstehen.« (Kreisler, Erinnerungsbuch, 132) Diese Erkenntnis konnte er indessen innerhalb des Ensembles nicht umsetzen. So entschloß er sich, mehr an seinem eigenen Stil zu arbeiten. In der ›Marietta Bar‹ konnte er seine neuen Ideen verwirklichen, wobei ihn die Reaktion des argwöhnischen Publikums und die Kritik seiner Kabarett-Kollegen wenig interessierte.

Er experimentierte mit Sprache und Musik: Die Lieder Zwei alte Tanten tanzen Tango, Der schöne Heinrich, Bluntschli , Max auf der Rax und


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