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Kabarett ohne Namen
Diese Unterschiede in der Auffassung des Berufs ›Kabarettist‹ zeigten sich
auch in der Zusammenarbeit zwischen Wehle, Bronner und Kreisler von 1956
bis 1959. Gerhard Bronner hatte das Intime Theater
in der Liliengasse gemietet und Helmut Qualtinger, Peter Wehle, Carl Merz,
Louise Martini und Georg Kreisler erklärten sich bereit, im Ensemble
mitzuwirken. Die Programme Blattl
vorm Mund (1956), Glasl vorm Aug (1957),
Spiegel vorm G‘sicht (1958) und Dachl über‘m
Kopf (1959) waren jedoch hauptsächlich auf Helmut Qualtinger
ausgerichtet und beinhalteten überwiegend nichtssagende Blödelnummern.
Schnell stellte sich für Kreisler heraus, daß er nicht die
gleichen Vorstellungen bezüglich einer Ensemble-Arbeit hatte wie seine
Kollegen. Was Kreisler besonders zu beanstanden hatte, war, daß die
sechs Ensemble-Mitglieder nicht miteinander arbeiteten. Zudem waren die Nummern
weder gesellschaftskritisch noch beinhalteten sie eine politische Aussage.
Auch die Proben waren von einer sehr strapazierten Stimmung bestimmt,
was nicht zuletzt mit den unterschiedlichen Charakteren der Kabarettisten
und ihren Absichten bezüglich des Ensembles zusammenhing:
»Wenn ich heute, mehr als dreißig Jahre danach, auf die damalige
Zeit zurückblicke, so kann ich nur feststellen,
daß ich offensichtlich sehr naiv
gewesen sein muß. Was ich nämlich für ein Team
hielt und was auch von einem nichtsahnenden
Publikum und noch ahnungsloseren Kritikern
für ein Team gehalten wurde, war alles, nur
kein Team. Wir waren Einzelpersonen, und jeder kochte sein eigenes
Süppchen.«
(Kreisler, Erinnerungsbuch, 101)
Dieser Bericht von Kreisler, einem unmittelbar Betroffenen, relativiert
die oft gelobte Kollegialität und Teamarbeit des namenlosen Ensembles
enorm. Vielleicht war es wegen dieser unüberwindbaren Differenzen ohne
Namen geblieben. Kreisler zog für sich folgenden durchaus allgemein
gültigen Schluß aus seinen Erfahrungen als Mitglied eines Ensembles:
»Ein Kabarett-Ensemble kann nur auf Dauer funktionieren, wenn jedes
Mitglied überzeugt ist, daß es einen wesentlichen Anteil am Programm
hat. Nur so kann ein gutes Programm entstehen.« (Kreisler, Erinnerungsbuch,
132) Diese Erkenntnis konnte er indessen innerhalb des Ensembles nicht umsetzen.
So entschloß er sich, mehr an seinem eigenen Stil zu arbeiten. In der
›Marietta Bar‹ konnte er seine neuen Ideen verwirklichen, wobei ihn die Reaktion
des argwöhnischen Publikums und die Kritik seiner Kabarett-Kollegen
wenig interessierte.
Er experimentierte mit Sprache und Musik: Die Lieder
Zwei alte Tanten tanzen Tango,
Der schöne Heinrich, Bluntschli
, Max auf der Rax und
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