- 208 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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an Heimatdichtern, Volkskomponisten und der aufkommenden Schlagerindustrie übten, welche »dem Volk nicht zutrauen, Kunst selbst erkennen und genießen zu können.« (Kreisler, Erinnerungsbuch, 58)

6 Kabarett im Radio: Zwischen den Zeilen

Neben den Auftritten in der ›Marietta Bar‹ arbeitete Kreisler zusammen mit Wehle und Bronner in der wöchentlichen Radiosendung Zwischen den Zeilen. Es sollten innerhalb von 15 Minuten Chansons gespielt werden, die sich auf das aktuelle gesellschaftliche und politische Geschehen bezogen. Kreisler beschreibt die Arbeit beim Rundfunk:

»Es herrschte eine sehr lustige und kollegiale Atmosphäre. Jeder besserte die Lieder der anderen aus, wir überließen einander neidlos die besten Witze, halfen einander beim Komponieren, kurz, es gab keinerlei Rivalität, aber dafür viel Freude und Gelächter.« (Kreisler, Erinnerungsbuch, 66)

Die Lieder, die im Radio gesendet wurden, sollten möglichst anspruchslos sein und keine Kritik und Schärfe enthalten, sonst wurden sie sofort aus dem Programm gestrichen. Der Österreichische Rundfunk verbot die Kritik an bestehenden Mißständen, und so waren harmlose Themen gefragt, was Kreisler immer öfter zu spüren bekam. Er konnte sich nicht mehr frei entfalten, denn seine Arbeitsweise widersprach seiner ursprünglichen Überzeugung, daß ein Kabarettist in der heutigen Gesellschaft kritisieren und aufklären muß.

Die Arbeit für den Rundfunk wurde für Kreisler schließlich immer unerträglicher. Er konnte sich nicht mehr mit den »Blödelliedern, die sich ›kabarettistisch‹ nannten« (Kreisler, Erinnerungsbuch, 83) identifizieren. Hinzu kamen Streitereien und Auseinandersetzungen mit seinen Kollegen, die seine kritische Haltung nicht verstehen wollten. Immer wieder stand das Thema ›Patriotismus‹ im Mittelpunkt der Diskussionen. Kreisler bezog dazu eindeutig Stellung: »Daß ich Österreich näherstehe als jedem anderen Land, kann mich nicht davon abhalten, die Verhältnisse in Österreich zu kritisieren, eher im Gegenteil.« (Kreisler, Erinnerungsbuch, 94) Diese Einstellung zu seiner Geburtsstadt Wien zeigte Georg Kreisler auch durch die vielen Wiener Lieder, die er später schrieb. Kreisler wollte literarisches und politisches Kabarett machen und nicht durch die bloße Aufheiterung des Publikums Geld verdienen wie seine Kollegen.


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