war Sommer,
die Theater waren geschlossen, und ich versuchte,
überall Gespräche anzuknüpfen, um den vergessenen wienerischen
Tonfall zu hören, wobei ich meine
Gesprächspartner oft nicht verstand.
Selten war ich monatelang so verwirrt gewesen.«
(Kreisler, Erinnerungsbuch, 13)
5
Die ›Marietta Bar‹
Durch einen Freund aus New York namens Fred Jacobson, der später unter
dem Namen Fred Jay ein berühmter Schlagertexter wurde, kam Georg Kreisler
mit Peter Wehle und Gerhard Bronner zusammen. Diese arbeiteten in der ›Marietta
Bar‹ und traten hier mit ihren Chansons auf. Die Bar war ein kleines, schlecht
beleuchtetes und häßliches Kellerlokal, wo man in familiärer
Atmosphäre billige Getränke konsumieren konnte, ohne von alleinstehenden
Damen oder Herren belästigt zu werden, was in anderen Amüsierlokalen
in Wien oft der Fall war (vgl. Kreisler, Erinnerungsbuch, 54). Die ›Marietta
Bar‹ galt in Wien als bekannter Künstlertreff. Die prominenten Gäste
kamen allerdings nicht aus Interesse an den Kleinkunstdarbietungen, sondern
um Bekannte und Freunde zu treffen und sich zu unterhalten, um gesehen zu
werden und selbst im Mittelpunkt zu stehen. Dementsprechend laut war es im
Raum. Oft zeigten die Gäste, daß ihnen die Kabarettisten und Kleinkünstler
nicht gefielen, indem sie laut weiterredeten oder das Lokal während
einer Nummer verließen. Georg Kreisler trat hier im Januar 1956 zum
ersten Mal auf. Mit vier Nummern verschaffte er sich Gehör:
Bidla Buh, Das Triangel,
Bach in Boogie-Woogie und als Zugabe Das Mädchen
mit den drei blauen Augen.
Das Publikum zeigte sich freundlich und lachte über die makabren
Lieder. Bronner engagierte Kreisler sofort, und so trat er jeden Abend in
der ›Marietta Bar‹ auf. Oft begeisterte sich das Publikum für seine
Lieder, dennoch war er selbst nicht zufrieden mit sich und seiner Leistung.
Zwar mußte er sich für jede Vorstellung auf ein anderes Publikum
einstellen, was durchaus ein gewisses Maß an Feingefühl und Geschick
voraussetzte, aber in der Auswahl seiner Lieder hatte er keine freie Hand.
Gerhard Bronner wollte, daß Kreisler makabre Liedtexte mit schwarzem
Humor komponierte.
Die ersten Erfolge in der ›Marietta Bar‹ mit Liedern wie
Der guate, alte Franz,
Die Wanderniere, Frühlingslied
, welches später Taubenvergiften genannt
wurde und »Opernboogie« verhalfen Georg Kreisler zu vereinzelten
Rundfunk- und Theaterauftritten. Dennoch wurden seine makabren Lieder, wie
das Frühlingslied vom Österreichischen
Rundfunk und Fernsehen zensuriert und jahrelang nicht gespielt. Eine Tatsache,
die Georg Kreisler auf die sozialkritische Aussage seiner Lieder zurückführt,
die zum Beispiel Kritik
|