- 207 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
  Erste Seite (2) Vorherige Seite (206)Nächste Seite (208) Letzte Seite (422)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

war Sommer, die Theater waren geschlossen, und ich versuchte, überall Gespräche anzuknüpfen, um den vergessenen wienerischen Tonfall zu hören, wobei ich meine Gesprächspartner oft nicht verstand. Selten war ich monatelang so verwirrt gewesen.«  (Kreisler, Erinnerungsbuch, 13)

5 Die ›Marietta Bar‹

Durch einen Freund aus New York namens Fred Jacobson, der später unter dem Namen Fred Jay ein berühmter Schlagertexter wurde, kam Georg Kreisler mit Peter Wehle und Gerhard Bronner zusammen. Diese arbeiteten in der ›Marietta Bar‹ und traten hier mit ihren Chansons auf. Die Bar war ein kleines, schlecht beleuchtetes und häßliches Kellerlokal, wo man in familiärer Atmosphäre billige Getränke konsumieren konnte, ohne von alleinstehenden Damen oder Herren belästigt zu werden, was in anderen Amüsierlokalen in Wien oft der Fall war (vgl. Kreisler, Erinnerungsbuch, 54). Die ›Marietta Bar‹ galt in Wien als bekannter Künstlertreff. Die prominenten Gäste kamen allerdings nicht aus Interesse an den Kleinkunstdarbietungen, sondern um Bekannte und Freunde zu treffen und sich zu unterhalten, um gesehen zu werden und selbst im Mittelpunkt zu stehen. Dementsprechend laut war es im Raum. Oft zeigten die Gäste, daß ihnen die Kabarettisten und Kleinkünstler nicht gefielen, indem sie laut weiterredeten oder das Lokal während einer Nummer verließen. Georg Kreisler trat hier im Januar 1956 zum ersten Mal auf. Mit vier Nummern verschaffte er sich Gehör: Bidla Buh, Das Triangel, Bach in Boogie-Woogie und als Zugabe Das Mädchen mit den drei blauen Augen.

Das Publikum zeigte sich freundlich und lachte über die makabren Lieder. Bronner engagierte Kreisler sofort, und so trat er jeden Abend in der ›Marietta Bar‹ auf. Oft begeisterte sich das Publikum für seine Lieder, dennoch war er selbst nicht zufrieden mit sich und seiner Leistung. Zwar mußte er sich für jede Vorstellung auf ein anderes Publikum einstellen, was durchaus ein gewisses Maß an Feingefühl und Geschick voraussetzte, aber in der Auswahl seiner Lieder hatte er keine freie Hand. Gerhard Bronner wollte, daß Kreisler makabre Liedtexte mit schwarzem Humor komponierte.

Die ersten Erfolge in der ›Marietta Bar‹ mit Liedern wie Der guate, alte Franz, Die Wanderniere, Frühlingslied , welches später Taubenvergiften genannt wurde und »Opernboogie« verhalfen Georg Kreisler zu vereinzelten Rundfunk- und Theaterauftritten. Dennoch wurden seine makabren Lieder, wie das Frühlingslied vom Österreichischen Rundfunk und Fernsehen zensuriert und jahrelang nicht gespielt. Eine Tatsache, die Georg Kreisler auf die sozialkritische Aussage seiner Lieder zurückführt, die zum Beispiel Kritik


Erste Seite (2) Vorherige Seite (206)Nächste Seite (208) Letzte Seite (422)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 207 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft