- 198 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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einzelnen Verbänden, die um ihren Einfluß bangten, geführt haben. So ist in einem Erlass vom 8. November 1933 zu lesen:

»Insbesondere haben die Organe einzelner Chorvereinigungen versucht, anderen Vereinen Bedingungen zu stellen, sie unter Androhung von Zwangsmaßnahmen zum Anschluß oder zur Auflösung zu bestimmen oder sonst einen unzulässigen Druck auf sie auszuüben. Im Gefolge dieser Maßnahmen ist im Chorvereinswesen eine solche Beunruhigung entstanden, daß die Erfüllung der kulturellen Aufgaben der Chorgesangspflege ernstlich gefährdet erscheint.« (Regelung, 274)

Doch nach der erfolgten Eingliederung der bestehenden Chöre in die jeweiligen Verbände schienen die anfänglichen Unstimmigkeiten beseitigt zu sein. Alle sich neu bildenden Chöre wurden ab 1934 gemäß ihren Mitgliedern in die zuständigen Reichsverbände eingeordnet. Die durch die Umstrukturierung angeordnete Ausschließlichkeit des DSB als einzig anerkannter historischer Verband hatte einen enormen Zuwachs zur Folge: Betrug die Mitgliederzahl 1932 noch ca. 364226 Sänger, konnte der DSB 1934 bereits 827269 Mitglieder zählen (vgl. Künneke, 72). Diese Mitgliederzunahme ist auf die große Zahl von Chören zurückzuführen, die nicht verbandsmäßig organisiert waren oder deren Verbände (vornehmlich der DAS) verboten wurden, trotzdem aber weiter aktiv bleiben wollten und so gezwungenermaßen dem DSB beitreten mußten: »Bisher bundesfremde Vereine haben sich unter den bekannten Voraussetzungen den Bundesvereinen anzuschließen; der umgekehrte Fall ist unzulässig.« (Bundesamtliche Mitteilungen, 378) Folgende zielgerichtete Prüfung wurde bei der Neuaufnahme anderer Vereine vorgeschrieben: »Neu aufzunehmende Vereine müssen die Gewähr bieten, daß sie sich freiwillig und überzeugt zu den nationalen Grundsätzen des DSB bekennen wollen.« (Brauner, Bekanntmachung, 522). Dabei »ist in Zweifelsfällen die Billigung der örtlichen Leitung der NSDAP einzuholen.« (Ebd.)

Die mit der Gleichschaltung einhergehende totale Kontrolle des Chorwesens ließ nun eine Besetzung der wichtigsten Posten mit getreuen Nationalsozialisten zu. Diese trieben nach der erfolgten organisatorischen Einheit die ideologische Ausrichtung weiter voran. Dem Prinzip der rassistischen NS-Ideologie folgend, konnten Juden keine Führerqualitäten erlangen. Die Folge war der Ausschluß ›nichtarischer‹ Mitglieder: »Nichtarische Amtsverwalter, insbesondere Leitungsmitglieder und Dirigenten, müssen ihre Ämter unverzüglich niederlegen.« (Ebd.)

Auch die innere Organisation des DSB wurde umstrukturiert. Kleinere Chöre mußten sich zusammenschließen (vgl. Hellkuhl, 197), Sängerkreise sich zu Einheitsbünden zusammenfinden, die später in Sängergaue umbenannt wurden. Diese Enwicklung läßt sich besonders gut am Beispiel der


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