- 196 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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verlor besonders durch innere Zerstrittenheit, die durch eine immer stärkere Polarisierung von Sozialisten und Kommunisten innerhalb des Verbandes verursacht wurde, seinen bisherigen Einfluß. Eine geschlossene Opposition gegen die nationalsozialistischen Intrigen wurde besonders durch ungeschicktes Taktieren des Vorstandes, der zum Teil ein hilfloses bis opportunistisches Verhalten gegenüber der neuen Regierung an den Tag legte, unmöglich gemacht (vgl. Kolland, 205). Dieses Benehmen wurde von einer großen Anzahl der Mitglieder, gleich welchem politischen Flügel sie auch angehörten, kritisiert und führte zur Selbstauflösung des Verbandes durch die Mitglieder (vgl. Kaden, 265). Wollten die ehemaligen Chöre des DAS weiterhin aktiv bleiben, mußten sie sich dem DSB anschließen. Neben Übertritten führte dies auch zu zahlreichen Selbstauflösungen von Chören, die sich nicht selbst verleugnen wollten. Dies kann durchaus als passiver Widerstand bezeichnet werden, konnten die Chöre doch nun nicht mehr durch die Aufführung vorgegebener Gesangsstücke zu nationalsozialistischen Propagandazwecken eingesetzt werden. Doch in einzelnen weiter aktiv bleibenden Chören, die unter dem Deckmantel eines regulären DSB-Chores ihre Auftrittsrechte sicherten, formierte sich auch auf verschiedene Art und Weise aktiver Widerstand gegen das neue Regime. Neben einer Fortführung der neu gewonnenen künstlerischen Errungenschaften, die auch ideologisch auf der marxistischen Theorie des Klassenkampfes gegen die bürgerliche Gesellschaft aufbauten, wurden Chöre zur Tarnung von verbotenen Parteiveranstaltungen der SPD und KPD eingesetzt (vgl. Lammel, 205). Die einzelnen Sänger, die sich permanenter Verfolgung ausgesetzt fühlten, suchten u.a. den Zusammenhalt in der Gruppe, um sich gegenseitig auszutauschen und Unterstützung zu geben. Besonders von den Chören der ehemaligen »Kampfgemeinschaft der Arbeitersänge« wurde konkrete politische Arbeit gegen das faschistische Regime geleistet, obwohl die Sänger z.T. mit harten Sanktionen zu rechnen hatten, sollte ihre illegale Tätigkeit aufgedeckt werden. Eine andere Entwicklung zeigte sich beim DSB, dessen neuer Kurs in den Führungsriegen zwar schon durch nationalsozialistische Anhänger abgesteckt war, doch ging der Umsetzung dieser Ziele und der dadurch bedingten neuen Umstrukturierung ein heftiger innerparteilicher Machtkampf zwischen Alfred Rosenberg, dem Gründer des Kampfbundes für deutsche Kultur, und Propagandaminister J. Goebbels voraus. Beide waren sich der enormen Bedeutung des Chorwesens bewusst, konnten die Chöre doch hervorragend zu propagandistischen Zwecken eingesetzt werden. Somit warben beide um die Gunst des DSB. Die Führung des DSB votierte eher zu Rosenberg als zu Goebbels, da sie im Kampfbund für deutsche Kultur die bessere Chance sah, zumindest die organisatorische Souveränität behalten zu können (vgl. Prieberg, 193). Die Ablehnung der Beitrittsaufforderung zur Mitgliedschaft in der RMK hatte

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