- 193 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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bereits 1933 von der Reichsmusikkammer angeordnet (s.o.). Der bereits erwähnte Fritz Stein formulierte seine erzieherischen Forderungen an den Chorgesang in einer Rede anläßlich der Königsberger Sängertage wie folgt:

»Es erwächst ihm als heilige Verpflichtung und Aufgabe die Erziehung des deutschen Menschen. Unsere Chöre müssen wieder wie zur Zeit von Webers Freischützchören zum Träger und Künder des nationalen Geistes werden, zu völkisch-kultischen Bannerträgern eines im Denken, Fühlen und Streben einigen deutschen Vaterlandes.« (Stein, Chorgesang, 225)

In der Besinnung auf die nationale Grundhaltung sah Fritz Stein die Hauptaufgabe des Chorgesangs. Desweiteren spielte er in dieser Rede auf die unterschiedlichen politischen Positionen der beiden größten Verbände Deutscher Sängerbund und Deutscher Arbeiter-Sängerbund an und propagierte die »Schaffung einer nationalen Einheitsfront des Chorgesangs.« (Stein, Chorgesangwesen, 12) Mit seiner Vision vom zukünftigen Chorwesen übte er starke Kritik an der damaligen musikalischen Praxis der beiden Verbände, die auch in ihrer politischen Einstellung stark divergierten:

»Hier wie dort [...] sehen wir überlebte Formen, die absterben müssen. Was wird absterben? Das Tendenziöse einer überlebten Tendenz, die Gesinnungsknechtung von Text und Weise auf der einen, das Indifferente, ja kraß ausgedrückt, das Asoziale einer verbürgerlichten Tendenzlosigkeit auf der anderen Seite. Aber was nicht untergehen darf, das ist der vaterländische Chorgesang, der Kampf und Ruhm der Nation, Liebe zur Heimat, Verbundenheit von Volk und Rasse besingt, – also das nationale Element.« (Ebd., 12)

Nationale Gesinnung und Haltung waren die bestimmenden Forderungen der Nationalsozialisten an die Laienmusikensembles. Ein Fortbestehen der musikalischen Aktivität war unumkehrbar mit dieser Ausrichtung verbunden. Nach Meinung der neuen Machthaber blieben denjenigen Chören, die in der Praxis so fortfuhren wie bisher, die wahren Inhalte der Musik verwehrt. Man suggerierte den Chören, daß sie sich durch die Beibehaltung der traditionellen Musikpraxis selbst der öffentlichen Kritik preisgeben würden, sei es als unverbesserliche Träumer in einer überholten Ersatzwelt oder als Musikliebhaber mit überhöhten Ansprüchen:

»Entscheidend für das laienmusikalische Tun ist die Haltung, aus der musiziert wird. An ihr hat es dem Laien lange genug gefehlt. Er verstieg sich in seinen Ansprüchen und sank zum Pfuscher herab; der Pfuscher aber ist ein Volksverderber. Oder er verfiel, lebensfern in Stimmung schwelgend, einer Scheinkunst; es gibt aber kein Erleben – und also auch kein Kunstwerk und keine Musikausübung –, das nicht von einer Gesinnung getragen wäre.«  (Scholz, 6)


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