- 16 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Stück Chants joyeux ausgedrückt« (Beiheft zu Meridiane, S. 6). (Klangbeispiel 2: Chants joyeux für Flöte solo) Der Dialog für zwei Gitarren entsteht 1990 aus Anlaß der von Brunhilde Sonntag initiierten und geleiteten polnischen Kulturtage in Münster. Die Komposition sucht nach Möglichkeiten der Überwindung kulturgeschichtlich und politisch bedingter Leiderfahrungen zwischen Völkern, die einander bis in die Gegenwart hinein mit Vorurteilen und Mißtrauen begegnen.

Das zweite Streichquartett geht auf Anregungen und Gespräche mit der jungen ungarischen Malerin und Bildhauerin Valeria Sass zurück. 1987 entsteht ein Zyklus von Objekten zum Thema »Spannung«. Sie sind aus Holz und Seil gefertigt. In der Formgebung weisen sie Konstanten auf, die sie als einander zugehörig kennzeichnen. Auf einem Holzsockel erhebt sich ein Holzbalken. Ihn begrenzen zwei konvex geschweifte Latten. Nahe den Endpunkten sind die Latten durch Seile gegeneinander in Spannung gebracht. Die Dicke des Holzes, der Grad der Spannung durch die Seile und die Proportionen der einzelnen Bestandteile der Objekte lassen an verschiedene Grade von Spannungen im übertragenen, auch zwischenmenschlichen Sinne denken. Für Brunhilde Sonntag wird die Ähnlichkeit zwischen den Holzobjekten und Streichinstrumenten zum Ausgangspunkt der musikalischen Komposition.

Material und Gestalt beider Werke geben Hinweise auf mögliche Bedeutungsgehalte. Die Verbindung von Holz und Seil spricht über das Schiffsmotiv menschliche Grundempfindungen an wie Sehnsucht, Heimweh, Fernweh. Ihnen nähert sich die Musik durch das Seufzermotiv und durch die Geschlossenheit der musikalischen Form. Raum- und Bewegungsbilder von Größe und Weite entstehen beim Hören. Zuvor unbewußte Raum- und Bewegungsbilder und persönliche Erinnerungen werden bewußt. Musik weckt über sie hinausreichende Assoziationen.

Formschemata wie Vordersatz und Nachsatz, Kanon und liedhafte Passagen verbinden Momente hoher Expressivität. Expressive Gestalten werden ihrerseits immer wieder in geschlossene Formen überführt. In den einleitenden und wiederkehrenden Legato-Passagen des II. Streichquartetts und der Musik für Blockflöte und Streichquartett zeigen horizontale Linien in der Notation die Tonhöhe und die relative Dauer der Einzelstimmen an. Die Entscheidung über das Tempo bleibt auch hier dem Interpreten überlassen. Eine innere Spannung der Person findet konkreten Ausdruck. Sie korrespondiert mit Stille und Bewegungslosigkeit. Eine kontrapunktische Paarbildung der Stimmen durchzieht das gesamte II. Steichquartett . Sie ist zum einen Folge der klanglichen Abbildung von Spannungsverhältnissen innerhalb der Holzobjekte. Die Reduktion der zentralen Legatopassagen auf wenige Darstellungs- und Ausdrucksmittel schafft darüber hinaus einen weiten Klangraum. Die ideale Aufführung würde gleichzeitig die sichtbaren Objekte


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