- 152 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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bei der das Individuelle stets objektiv vermittelt werde sowie das Objektive stets in individualisierter Form erscheine, und 2. auf die aus dem herkömmlichen Sonatenschema entwickelte Form-Dialektik, bei der sich Haupt- und Nebenthema wie These und Antithese gegenüberständen und in der folgenden Durchführung auf dialektisierende Weise miteinander verarbeitet würden. Im Rahmen dieser Sehweise behauptete Adorno geradezu apodiktisch: »In einem ähnlichen Sinn wie dem, in welchem es nur die Hegelsche Philosophie gibt, gibt es in der Geschichte der abendländischen Musik nur Beethoven« (31). Ad 1. Im Hinblick auf die nur schwer zu fassende Subjekt-Objekt-Relation, die der Musik des frühen und mittleren, kurz: des »klassischen« Beethoven ihre innere Geschlossenheit gebe, schrieb Adorno:

»Es handelt sich also beim musikalischen Subjekt-Objekt-Verhältnis um eine Dialektik im ›strengsten‹ Sinn – nicht um ein an zwei verschiedenen Enden des Stranges Zerren von Subjekt und Objekt, sondern um eine ›objektive‹, von der Logik der Form an sich entbundene Dialektik, die Bewegung des Begriffes in der Sache an sich, welche des Subjekts gleichsam nur als des Vollzugsorgans bedarf, welches das Notwendige aus Freiheit vollbringt (aber nur das freie Subjekt kann es vollbringen).«  (99)

Aufgrund dieser Interpretationsweise konnte Adorno schließlich die These aufstellen, daß Beethovens Musik dieselben »Erfahrungen« ausspreche, die »den Hegelschen Begriff des Weltgeistes inspirieren« (59). So gehört, kämen in ihr der freischaffende Genius, das von ihm verwendete Formenarsenal und die sich aus einem ominös bleibenden Zeitgeist ergebenden intellegiblen Sinnstrukturen zu einer absoluten Deckung.

Dementsprechend, folgerte Adorno weiter, gehe den Werken der klassischen Phase des Beethovenschen Schaffens alles »Zufällige, Unverbindliche, Aperçuhafte vollkommen ab« (231). Sie seien stets ganz bei sich selbst, das heißt Subjekt und Objekt zugleich, und entsprächen damit der »Doppelstellung« des oft beschworenen »Weltgeistes« in Hegels Phänomenologie des Geistes (1807) (99). Aufgrund dieser Doppelstellung erfahre man in ihnen – »genau wie bei Hegel« – als »die eigentlich eingreifende Macht« in jeder Einzelheit stets »das hinter den Kulissen waltende Ganze« (42). In dieser Eindeutigkeit des Gesamtzusammenhanges, der im Hegelschen Sinne das einzig »Wahre« (Hegel, 3, 24) sei, stellten sie den höchsten Ausdruck einer nichtzubezweifelnden »Totalität« (36), also die »unauflösliche Verschränkung von Ganzem und Teil« (48), dar. Damit werde die Frage aller Musik, wie sie ein »Ganzes« sein könne, »ohne daß dem Einzelnen Gewalt angetan wird«, bei Beethoven auf eine geradezu klassische, wenn nicht die alleinig klassische Weise gelöst (vgl. Adorno 1994, 62), mit anderen Worten: die Dialektik


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