- 146 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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von Adorno, der eben dieses Subjekt in den Werken der Neuen Musik repräsentiert sieht. Die Akzentuierung bei Newman ist eine andere: Sie ist, wie Max Imdahl sagt, konzentriert auf den Rezipienten, den Betrachter des Bildes,

»der nicht mittels des Bildes als einer Repräsentation verwiesen (wird) auf ein sonst unsichtbares ... ideales Ganzes, welches das eigentliche Thema des Bildes wäre, sondern der Beschauer selbst ist thematisiert als der im Anblick der erhabenen Erscheinung des Bildes seine eigene Erfahrung Erfahrende ... Newman reflektiert auf das eigene Präsenzerlebnis des Beschauers.«

Newman selbst: »I became involved with the idea of making the viewer present: the idea that ›Man ist Present‹.«35

35 Max Imdahl: Barnett Newman. Who’s afraid of red, yellow and blue III. In: Das Erhabene . 237. Das folgende Zitat mit Seitenzahl im Text.
Nach Imdahl ist es die Absicht Newmans, der seine Malerei als »metaphysischen Akt« versteht, dem Menschen durch das Erlebnis des Erhabenen eine Erfahrung des eigenen Selbst zu ermöglichen »unter dem Aufruf zur menschlichen Selbständigkeit, Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung« (235). Das ist durchaus eine ethisch-moralische Implikation in Nähe zu Adorno, wenngleich mit einer anderen Zielrichtung. Was Lyotard letztlich mit »Präsenz« meint, bleibt gerade in seiner Bezugnahme auf Hess und Newman verwirrend und unklar. Seine in ontologisierender Sprache versteckt vorgetragene (oder bereits verlassene) Theorie des Erhabenen evoziert geradezu die Annahme, dass eben dieser Theorie ein uneingestandener metaphysischer Rest implizit ist. Andererseits legt Lyotards radikale Betonung des »Nichts«, das sich im »Now« ereigne, das erscheine oder sich verkündige, nahe, dass seine »affirmative« Ästhetik eine rein formal-ästhetische ist und sein will, deren essayistische Form sich mancherlei Inhalte (»Legenden«) und Denkmotive bedient. Zu fragen bleibt noch, in welchem Verhältnis Lyotards mehrdeutiger Begriff der Präsenz zu seiner Auffassung des Undarstellbaren steht. In seinem Text Nach dem Erhabenen, Zustand der Ästhetik (1987)36
36 In: Das Inhumane. Zitate mit Seitenzahl im Text.
bezieht Lyotard den Begriff Präsenz auf die Materie und zwar unter der Perspektive, dass es keine Formen mehr gebe, »um sie darstellbar zu machen« (233). Demzufolge geht es nicht um das, was Adorno »Naturmaterial« nennen würde, das durch die Formgebung je und je seine Gestalt fände. Lyotard bezieht die »Präsenz«, der es sich »zu nähern« gilt, sowohl in der Malerei als auch in der Musik auf »Nuancen« und »Timbres«. Innerhalb des schmalen Raumes, »den eine Note oder Farbe im klanglichen oder chromatischen Kontinuum einnimmt ... verursachen Nuance oder Timbre ... eine Art Unendlichkeit, Unbestimmtheit der Harmonien«. Sie vereiteln die »klare Komposition von Klängen und

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