Kraft der Verpflichtung zu geben«, und zwar »in
einer Beziehung von Angesicht zu Angesicht«. Deren Modell sei: »Sieh
mich, oder besser: Hör mir zu« (146). Und dann, gleichsam
erklärend: »Denn die Verpflichtung ist viel mehr ein Modus der
Zeit als des Raums, und ihr Organ ist mehr das Ohr als das Auge.« (145f)
Es ist aufschlußreich, dass Newman in einem unvollendet gebliebenen
Text von 1949 schreibt: »Meine Bilder sind
weder mit der Manipulation des Raumes noch mit
der bildlichen Darstellung verbunden, sondern mit einer Zeitempfindung.« (153,
H.v.m.)
Auch Adorno spricht von einer »Epiphanie« des Kunstwerks, von einer plötzlichen »Erscheinung«. Sie sei »empirisch«, doch ohne »Dauer, wie das Feuerwerk«, sie sei »Himmelszeichen und hergestellt in eins«, sie sei »Menetekel, aufblitzende und vergehende Schrift«, deren »Bedeutung« nicht lesbar, nicht entzifferbar sei.32 Adorno bestimmt Epiphanie als »Nichtseiendes« das – paradox – durch »die Bruchstücke des Seienden« material vermittelt sei (129); er bestimmt sie als »negative Erscheinung der Utopie« (196). Die Werke selbst können nicht sagen, »ob jenes erscheinende Nichtseiende als Erscheinung doch existiert oder im Schein verharrt«, gleichwohl »nötigen« sie zu der Reflexion, »woher sie, Figuren des Seienden und unfähig, Nichtseiendes ins Dasein zu zitieren, dessen überwältigendes Bild werden könnten, wäre nicht doch das Nichtseiende an sich selber« (129). In ihrer Rätselhaftigkeit verweisen die Kunstwerke auf ein entzogenes Absolutes, auf ein Absolutes, das im Sinne Lyotards endgültig verloren bzw. verabschiedet ist; sie verweisen auf »Versöhnung« als abgebrochene Transzendenz. Agnostizistisch verharrt die negative Ästhetik Adornos – getreu dem jüdischen Bilderverbot – vor dem Absoluten, auf das sie dennoch verweist. Lyotards affirmative Ästhetik hingegen scheint sich jeglicher Verweisung zu verweigern, dennoch scheut sie sich nicht, emphatisch mit Begriffen zu arbeiten, die Transzendenz geradezu evozieren.Mit Hinweisen auf Newmans Monolog The Plasmic Image (1943–45) sowie auf Äußerungen von Hess (ohne Quellenangabe), der behaupte, »das ›Sujet‹ des Newmanschen Werkes insgesamt (sei) ›die künstlerische Schöpfung‹ selbst«, und zwar »als Symbol für die Schöpfung überhaupt, die, von der die Genesis« berichtete,33 hebt Lyotard hervor, dass viele der Newmanschen Bildtitel »auf die (paradoxe) Vorstellung des Beginns« hinlenkten. Sich auf Newmans Aussage »das Sujet der Schöpfung ist das Chaos« stützend, sucht Lyotard das, was er »Beginn« nennt, allgemein an Newmans Bildern zu demonstrieren. Und wiederum spricht er von »Vorkommnis« als dem »Augenblick, der unvorhersehbar fällt oder geschieht« – von einer »künstlerische(n) |