- 142 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Farbe, etc.? Techniken, die der formalen Gestaltung dienen? Sujets, die gestaltet werden sollen? Formen, in denen sie gestaltet werden? Etwa alles das, was Adorno in seine Theorie des Materials einzubeziehen suchte?

Anders als bei Adorno, wo die Kunst der Philosophie bedarf, ist die Lyotardsche Ästhetik der Kunst gleich- nicht zugeordnet. Beide leisten strukturell dasselbe. Daraus ergibt sich auch der experimentelle und plurale Charakter der Philosophie:

»Wir haben die Sehnsucht nach dem Ganzen und Einen, nach der Versöhnung von Begriff und Sinnlichkeit, nach transparenter und kommunizierbarer Erfahrung teuer bezahlt. ... Die Antwort darauf lautet: Krieg dem Ganzen, zeugen wir für das Nicht-Darstellbare, aktivieren wir die Widerstreite, retten wir die Ehre des Namens.«27

27 Lyotard: Beantwortung der Frage: Was ist postmodern? 203.

Unverkennbar erinnern die letzten Worte in der Anspielung auf das alttestamentliche Bilderverbot an Intentionen der Philosophie Adornos.

Aus der strukturellen Gleichstellung von moderner Kunst und postmoderner Philosophie folgt, dass auf eine philosophische Interpretation der einzelnen Werke weitgehend verzichtet wird, der Adornos »mikrologische Hermeneutik« (Brunkhorst) in außerordentlichem Maße galt. Durch diesen Verzicht wird die Frage nach der Intention der Werke und die Frage nach ihrem Wahrheitsgehalt endgültig verabschiedet. Mit der Verabschiedung dieser Fragen gerät auch die Frage nach dem Subjekt aus dem Blick – für Lyotard ohnehin ein Terminus von dem er »genug« hat, »weil man alles mögliche darunter subsumiert«.28

28 Vgl. das Gespräch zwischen Lyotard und Pries (Anm. 20). 341
Die postmoderne Ästhetik Lyotards stößt nicht nur den ›metaphysischen Rest‹, nicht nur die negative Utopie in der zerbrechlichen Potentialität der »Versöhnung« ab, sondern auch die ethische Implikation der Ästhetik Adornos, die nicht zuletzt auf die »Rettung« des konkreten Subjekts, des Menschen zielt. Gleichwohl sieht auch Lyotard, trotz der Betonung des Unterschieds zwischen Ethik und Ästhetik, eine Gemeinsamkeit zwischen beiden, und zwar im Kampf gegen das »Vergessen« (vgl. ebd. 330f.), Lyotards ästhetische Theorie bestätigt die Verabschiedung des konkreten Subjekts ebenso wie Baudrillards endzeitlich anmutende Theorie der Simulation und wie Foucaults Ordnung der Dinge, in der der Mensch ohnehin nur eine »junge Erfindung« war. Einer solchen »Immoralität« (Frank) in der Bejahung dessen, was ist und geschieht, möchte ich Worte entgegenstellen, mit denen Adorno seine Negative Dialektik beschließt: »die kleinsten innerweltlichen Züge hätten Relevanz fürs Absolute, denn der mikrologische Blick zertrümmert die Schalen ... des hilflos Vereinzelten und sprengt den

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