zu stellen
sind: »Aufgabe der Philosophie ist es ... die intentionslose Wirklichkeit
zu deuten, indem sie kraft der Konstruktion von Figuren ... aus den isolierten
Elementen der Wirklichkeit die Fragen aufhebt« (335). »Aufhebung«
meint hier nicht im Sinne Hegels, dialektische Aufbewahrung im Begriff, wodurch
die Deutung der Wirklichkeit »im geschlossenen Raum von Erkenntnis«
verbliebe, vielmehr zielt diese unmittelbar auf die Praxis: »aus der
Konstruktion der Figur des Wirklichen erfolgt ... die Forderung nach ihrer
realen Veränderung« (338). Vor dem Hintergrund der expliziten
philosophischen Theorie des frühen Adorno, die ihre Verfahrensweise
deutlich benennt, mag sich seine Deutung der Musik Schönbergs und Strawinskys
vielleicht weniger anstößig ausnehmen, als sie einer positivistischen,
unphilosophischen Rezeption lange Zeit erschienen ist. Adorno arbeitet durch
Konstellationen der werkanalytischen Befunde beider Komponisten in
einer geschichtsphilosophischen Konstruktion
der »Idee der Werke und ihres Zusammenhangs« folgende Grundlinien
heraus: Die Musik von Schönberg, der sich strikt den Anforderungen des
»aktuellen« Stands des Materials stellt, verleiht der Einsamkeit,
der Entfremdung, dem Leiden des Subjekts Form und Ausdruck. Hingegen zeigen
Strawinskys Kompositionen, die sich – im Bemühen um ästhetische
Verbindlichkeit – an traditionellem, aber geschichtlich »zerfallenen«
Material orientieren, die »Liquidierung« des Subjekts durch die
Gesellschaft. Dialektisch aufeinander verwiesen und zugleich je für
sich bringen die Werke beider Komponisten eine geschichtlich »authentische«
Wahrheit zur Erkenntnis. Steht die Musik der neuen Wiener Schule ein für
das leidende Subjekt, dessen Wahrheit sie offenbar macht und dessen Intention
sie vertritt, so zeigt die Musik Strawinskys die Wahrheit der totalitären
Gesellschaft, die – in der Zerstörung des Subjekts – als »Ganze«
für Adorno das »Unwahre« ist. Strawinskys Werke sind ohne
Transzendenz, sie eröffnen keine utopische Perspektive. Anders jedoch
die Werke der Neuen Musik: »Im Akt der Erkenntnis, den Kunst vollzieht,
vertritt ihre Form Kritik am (gesellschaftlichen) Widerspruch dadurch, dass
sie auf die Möglichkeit seiner Versöhnung weist und damit auf das
Kontingente, überwindbare, Nichtabsolute am Widerspruch.«
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Adorno: Gesammelte Schriften. Bd.
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In der Konstellation von Immanenz und Transzendenz gewinnen die Werke eine
utopische Perspektive, die aber negativ, »bilderlos« bleibt.
Hier ist die Grenze der Erkenntnis von Wahrheit in der Kunst erreicht, die
»Rätselhaftigkeit« der Werke tritt ans Licht. Obwohl ihr
ein Nicht-Lösbares inhäriert, ist dieses nicht der Werke »Letztes,
sondern jedes authentische Werk schlägt auch die Lösung seines
unlösbaren Rätsels
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