des aktuellen »Zeitgeistes«,
die der Künstler im kompositorischen Akt miteinander vermittelt. Findet
so beides in Form und Ausdruck des »authentischen Werkes« seinen
ästhetisch-geschichtlichen Niederschlag, so wird andererseits durch
die Produktion solcher Werke die Entwicklung des Materials weitergebracht.
Zweifellos hat diese ästhetische, in ihrem Kern geschichtsphilosophische
Theorie, die Adorno materialistisch zu fundieren sucht, als dialektische
Theorie der Avantgarde zu gelten, die auf der Entwicklung der traditionellen
Musik aufruht. Sie versteht sich ausdrücklich als »gesellschaftliche
Theorie« und erlaubt als solche, Kunstwerke als jeweils »geronnene«,
»bewußtlose Geschichtsschreibung« zu begreifen, in der
sich die Wahrheit der gesellschaftlichen Wirklichkeit manifestiert. Eine
der zentralen Kategorien der Theorie ist die der »Stimmigkeit«:
Sie erschließt einmal die »Technik« der Werke, das ›Wie‹
ihres Gemachtseins im Horizont ihrer ästhetisch-geschichtlichen »Logik«;
sie hat zugleich eine Schlüsselfunktion für die »Entzifferung«
des »Wahrheitsgehalts«, dessen implizites moralisches Maß
die Repräsentation des leidenden Subjekts in Form und Ausdruck des »authentischen«
Werkes ist. In der Philosophie der neuen Musik
führt Adorno die Theorie des Materials durch. In Analyse und Interpretation
ausgewählter Werke Schönbergs (auch Weberns und Bergs) einerseits,
sowie Strawinskys andererseits sucht er die »Logik der Werke«
beider Phänomengruppen herauszuarbeiten und ihren Wahrheitsgehalt zu
exponieren. In seinen einleitenden Überlegungen betont Adorno, dass
es »philosophisch« darum gehe, »die Idee der Werke und
ihres Zusammenhangs zu konstruieren, wäre es auch selbst zuweilen über
das vom Kunstwerk Verwirklichte hinaus«.9
9
Adorno: Gesammelte Schriften. Bd. 12.
34. |
Mit dem Begriff der »Konstruktion« greift Adorno zurück
auf eine bedeutsame Kategorie seiner philosophischen Theorie, die er erstmals
1931 in seiner Antrittsvorlesung vorgestellt und erläutert hat.
10
10
Adorno: Die Aktualität der Philosophie
. Erstmals in ders.: Gesammelte
Schriften. Bd. 1. 325–344. – Bei der Explikation der Begriffe »Konstruktion«
und »Konstellation« beruft sich Adorno auf Walter Benjamin
(vgl. 335). – Im folgenden Zitatnachweise mit bloßer Seitenzahl
im Text. |
Dieser Kategorie korrespondiert die der »Konstellation«. Beide
sind konstitutiv für das philosophische Verfahren einer »materialistischen
Erkenntnis«, deren »Programm« Adorno bestimmt als »Deutung
des Intentionslosen durch Zusammenstellung der analytisch isolierten Elemente
und Erhellung des Wirklichen kraft solcher Deutung« (336). Die
Gewinnung der »isolierten Elemente« obliegt der wissenschaftlichen
Forschung. Die Philosophie jedoch bringt diese Elemente »so lange in
wechselnde Konstellationen ... bis sie zur Figur geraten, die als Antwort
lesbar wird« auf Fragen, die stets erneut an die Wirklichkeit
|