- 135 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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des aktuellen »Zeitgeistes«, die der Künstler im kompositorischen Akt miteinander vermittelt. Findet so beides in Form und Ausdruck des »authentischen Werkes« seinen ästhetisch-geschichtlichen Niederschlag, so wird andererseits durch die Produktion solcher Werke die Entwicklung des Materials weitergebracht. Zweifellos hat diese ästhetische, in ihrem Kern geschichtsphilosophische Theorie, die Adorno materialistisch zu fundieren sucht, als dialektische Theorie der Avantgarde zu gelten, die auf der Entwicklung der traditionellen Musik aufruht. Sie versteht sich ausdrücklich als »gesellschaftliche Theorie« und erlaubt als solche, Kunstwerke als jeweils »geronnene«, »bewußtlose Geschichtsschreibung« zu begreifen, in der sich die Wahrheit der gesellschaftlichen Wirklichkeit manifestiert. Eine der zentralen Kategorien der Theorie ist die der »Stimmigkeit«: Sie erschließt einmal die »Technik« der Werke, das ›Wie‹ ihres Gemachtseins im Horizont ihrer ästhetisch-geschichtlichen »Logik«; sie hat zugleich eine Schlüsselfunktion für die »Entzifferung« des »Wahrheitsgehalts«, dessen implizites moralisches Maß die Repräsentation des leidenden Subjekts in Form und Ausdruck des »authentischen« Werkes ist. In der Philosophie der neuen Musik führt Adorno die Theorie des Materials durch. In Analyse und Interpretation ausgewählter Werke Schönbergs (auch Weberns und Bergs) einerseits, sowie Strawinskys andererseits sucht er die »Logik der Werke« beider Phänomengruppen herauszuarbeiten und ihren Wahrheitsgehalt zu exponieren. In seinen einleitenden Überlegungen betont Adorno, dass es »philosophisch« darum gehe, »die Idee der Werke und ihres Zusammenhangs zu konstruieren, wäre es auch selbst zuweilen über das vom Kunstwerk Verwirklichte hinaus«.9
9 Adorno: Gesammelte Schriften. Bd. 12. 34.
Mit dem Begriff der »Konstruktion« greift Adorno zurück auf eine bedeutsame Kategorie seiner philosophischen Theorie, die er erstmals 1931 in seiner Antrittsvorlesung vorgestellt und erläutert hat. 10
10 Adorno: Die Aktualität der Philosophie . Erstmals in ders.: Gesammelte Schriften. Bd. 1. 325–344. – Bei der Explikation der Begriffe »Konstruktion« und »Konstellation« beruft sich Adorno auf Walter Benjamin (vgl. 335). – Im folgenden Zitatnachweise mit bloßer Seitenzahl im Text.
Dieser Kategorie korrespondiert die der »Konstellation«. Beide sind konstitutiv für das philosophische Verfahren einer »materialistischen Erkenntnis«, deren »Programm« Adorno bestimmt als »Deutung des Intentionslosen durch Zusammenstellung der analytisch isolierten Elemente und Erhellung des Wirklichen kraft solcher Deutung« (336). Die Gewinnung der »isolierten Elemente« obliegt der wissenschaftlichen Forschung. Die Philosophie jedoch bringt diese Elemente »so lange in wechselnde Konstellationen ... bis sie zur Figur geraten, die als Antwort lesbar wird« auf Fragen, die stets erneut an die Wirklichkeit

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