zu sagen, dass seine ästhetische Theorie als
eine Theorie der Kunst der Moderne zu gelten hat, die im Rückblick auf
die erwähnte Diskussion geradezu als ein vorausliegender Gegenentwurf
zu den Ansätzen postmoderner Ästhetik angesehen werden kann. Unter
diesem Gesichtspunkt möchte ich im folgenden zentrale Motive der Kunstphilosophie
Adornos vorstellen, um diesen dann Grundzüge der ästhetischen Überlegungen
Lyotards zu kontrastieren. Den Ausgangspunkt bildet die
Philosophie der neuen Musik5,
5
Adorno: Gesammelte Schriften. Bd.
12. |
die nach Adorno »verbindlich« bleibt für alle späteren
Aussagen zur Musik. Überdies zeigt gerade dieses Werk in besonderem
Maße die ethisch-moralische Implikation des Adornoschen Philosophierens,
die in der postmodernen Ästhetik Lyotards nicht mehr anzutreffen ist.
Dementsprechend sehe ich in der Philosophie der neuen
Musik das Herzstück der gesamten ästhetischen Theorie Adornos,
um das sich die späteren, höchst sensiblen Interpretationen von
Musik und Literatur gruppieren, die dann in der 1970 posthum erschienenen
und unvollendet gebliebenen Ästhetischen
Theorie6
6
Adorno: Gesammelte Schriften. Bd. 7.
|
noch einmal ihre (meta)theoretische Fundierung erfahren. Adornos Ästhetik
entfaltet ihr Spektrum in der Durchführung und Variation dreier Zentralmotive.
Es sind: 1. die Theorie der Entwicklung des musikalischen Materials, die
sich bereits um 1930 ausformt (insbesondere in den intensiven Gesprächen
zwischen Adorno und Ernst Krenek), 2. die auf dieselbe Zeit zurückgehende
Theorie von der Erkenntnis der Wahrheit in der Kunst7
7
Vgl. dazu: Theodor W. Adorno und Ernst Krenek.
Briefwechsel. – Ferner auch: Lucia Sziborsky:
Adornos Musikphilosophie. Bes. Kap. 3–7. |
mit der Adorno an die Kunstphilosophie Schellings und Hegels anschließt,
und 3. das spätere Philosophem vom Rätselcharakter der Kunstwerke.
8
8
Vgl. Adorno: Gesammelte Schriften.
Bd. 7. 179–205. |
Das musikalische Material wird von Adorno nicht als »naturgegebenes«
begriffen, sondern als ein geschichtlich-gesellschaftlich vermitteltes geistiges,
das durch das Bewußtsein der Künstler fortschreitend »präformiert«
ist und wird. Da es dem genuinen Bereich der Kunst angehört, unterliegt
es »eigenen Bewegungsgesetzen«; da es zugleich aber in den gesamtgesellschaftlichen
Fortschrittsprozeß eingebunden ist, sind ihm die »Spuren der
Gesellschaft« eingeprägt. Im dialektischen Akt des Komponierens
erfährt der Künstler »Anweisungen« des Materials, die
ihn zur Auseinandersetzung herausfordern und auf die er »in Freiheit«
antwortet durch das autonome Werk, das er schafft. Am »aktuellen Stand«
des Materials je und je orientiert, geht in die künstlerische Produktion
zugleich eine Auseinandersetzung mit der Gesellschaft ein, und zwar in zweifacher
Weise: durch den objektiv im Material sedimentierten gesellschaftlichen Gehalt,
sowie durch die subjektive Erfahrung
|