- 134 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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zu sagen, dass seine ästhetische Theorie als eine Theorie der Kunst der Moderne zu gelten hat, die im Rückblick auf die erwähnte Diskussion geradezu als ein vorausliegender Gegenentwurf zu den Ansätzen postmoderner Ästhetik angesehen werden kann. Unter diesem Gesichtspunkt möchte ich im folgenden zentrale Motive der Kunstphilosophie Adornos vorstellen, um diesen dann Grundzüge der ästhetischen Überlegungen Lyotards zu kontrastieren. Den Ausgangspunkt bildet die Philosophie der neuen Musik5,
5 Adorno: Gesammelte Schriften. Bd. 12.
die nach Adorno »verbindlich« bleibt für alle späteren Aussagen zur Musik. Überdies zeigt gerade dieses Werk in besonderem Maße die ethisch-moralische Implikation des Adornoschen Philosophierens, die in der postmodernen Ästhetik Lyotards nicht mehr anzutreffen ist. Dementsprechend sehe ich in der Philosophie der neuen Musik das Herzstück der gesamten ästhetischen Theorie Adornos, um das sich die späteren, höchst sensiblen Interpretationen von Musik und Literatur gruppieren, die dann in der 1970 posthum erschienenen und unvollendet gebliebenen Ästhetischen Theorie6
6 Adorno: Gesammelte Schriften. Bd. 7.
noch einmal ihre (meta)theoretische Fundierung erfahren. Adornos Ästhetik entfaltet ihr Spektrum in der Durchführung und Variation dreier Zentralmotive. Es sind: 1. die Theorie der Entwicklung des musikalischen Materials, die sich bereits um 1930 ausformt (insbesondere in den intensiven Gesprächen zwischen Adorno und Ernst Krenek), 2. die auf dieselbe Zeit zurückgehende Theorie von der Erkenntnis der Wahrheit in der Kunst7
7 Vgl. dazu: Theodor W. Adorno und Ernst Krenek. Briefwechsel. – Ferner auch: Lucia Sziborsky: Adornos Musikphilosophie. Bes. Kap. 3–7.
mit der Adorno an die Kunstphilosophie Schellings und Hegels anschließt, und 3. das spätere Philosophem vom Rätselcharakter der Kunstwerke. 8
8 Vgl. Adorno: Gesammelte Schriften. Bd. 7. 179–205.
Das musikalische Material wird von Adorno nicht als »naturgegebenes« begriffen, sondern als ein geschichtlich-gesellschaftlich vermitteltes geistiges, das durch das Bewußtsein der Künstler fortschreitend »präformiert« ist und wird. Da es dem genuinen Bereich der Kunst angehört, unterliegt es »eigenen Bewegungsgesetzen«; da es zugleich aber in den gesamtgesellschaftlichen Fortschrittsprozeß eingebunden ist, sind ihm die »Spuren der Gesellschaft« eingeprägt. Im dialektischen Akt des Komponierens erfährt der Künstler »Anweisungen« des Materials, die ihn zur Auseinandersetzung herausfordern und auf die er »in Freiheit« antwortet durch das autonome Werk, das er schafft. Am »aktuellen Stand« des Materials je und je orientiert, geht in die künstlerische Produktion zugleich eine Auseinandersetzung mit der Gesellschaft ein, und zwar in zweifacher Weise: durch den objektiv im Material sedimentierten gesellschaftlichen Gehalt, sowie durch die subjektive Erfahrung

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