eben skizzierten
Kunstanspruch den höchsten Tribut zollte: nämlich Wolfgang Amadeus
Mozart. Mozart hat in seinem Drama per musica Idomeneo
(1781) das Problem des Selbstmordes gleich von mehreren Seiten kumuliert
betrachtet. Er faßt dies als Konfliktpotential auf, das durch eine
Auseinandersetzung zwischen Göttern und Menschen, katalysiert durch
das Medium der Meeresgewalt, zum unausweichlichen Untergang treibt. Diese
Oper ist gewiß Mozarts komplexeste operntheatralische Komposition,
weil sie alles an dramaturgischen und musikalischen Mitteln präsentiert,
was später in den bekannteren Meisteropern nur mehr vertieft werden
kann. Sie findet ihren Handlungshöhepunkt in der erzwungenen Opferung
des Sohnes durch den Vater. Ein beklemmendes 8-Minuten-Rezitativ, in dem
alle handelnden Personen und ihre Aktionen wie Reflexionen musikalisch umgesetzt
werden. Die Szene erfaßt drei Selbstmord-Angebote, die allesamt ohne
Probleme auch vermeidbar wären, und deren Lösung Mozart auch in
zwei Fällen definitiv verhindert, im dritten Falle aber offenläßt.
Idamantes, der Sohn des Königs, der für den Götterbetrug seines
Vaters zum Sterben verurteilt ist, stellt sich selbst dem Opfermesser und
findet damit eine positive Einstellung zur Gerechtigkeit. Seine Geliebte Ilia
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fällt dem Vater ins erhobene Schwert und bietet sich als Opfer an.
Und hier zerreißt Mozart die Konsequenz mit dem einzigen Rettungsmodell,
das ihm übrigbleibt: einer akustischen Botschaft, übermittelt von
»La Voce«, hinter der sich Götter, Neptun, wer auch immer,
jedenfalls eine außerirdische Autorität verbirgt. Doch damit nicht
genug: Elektra, die selbst Idamantes liebt, sieht von diesem göttlichen
Wink ihre Pläne durchkreuzt und findet zur alten Furiosität zurück.
In einem Aufschrei, ohnegleichen in Mozarts Werk, reißt sie sich aus
der Gegenwart und findet ihr Ziel flüchtend in der Nachfolge des Orest
im dunklen Reich. Mozart komponiert nicht ihre Ankunft, sondern ihren Aufbruch,
wie sie ihre Energien sammelt und sich in einer Art Schleuderstuhl aus der
befriedeten Szene hinauskatapultiert.
Auch jene Stelle, die den Titel für diese Gedanken provozierte, ist eine Szene, die den Selbstmord ankündigt. Mozart läßt den Suizid jedoch durch metaphysische Kraft verhindern. Papageno, jene Alltagsfigur aus der Zauberflöte, hat das Zentrum seiner Sehnsucht kennengelernt und verloren. Einfach, wie er ist, übersetzt er dies als schlagendes Schicksal, und weil dies nicht genügt, auch als Bestrafungsvariante für seine unbekümmerte Undiszipliniertheit. Diese unerfüllte Sehnsucht sieht er nur mehr in der Erhängung verwirklichbar, im Eskapismus aus dieser Welt. Und Mozart leiht ihm für diese Absicht jene tragische Tonart g-moll, die auch die traurigsten Arien der gesamten Oper – jene der Königin der Nacht und jene der Pamina – prägten. |