- 108 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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in Kassel kam ihre Symphonie in c zu einer eindrucksvollen Aufführung unter Leitung von Adam Fischer. Eine hervorragende Einspielung sämtlicher Klavierwerke durch Babette Dorn kam kürzlich bei TACET heraus. Angesichts der Qualität und Originalität des Werkes von Ilse Fromm-Michaels wäre es wirklich zu wünschen, daß ihre Musik einer breiteren musikinteressierten Hörerschaft wieder zugänglich gemacht würde, haben wir doch in Deutschland in ihrer Generation durchaus einen Mangel an profilierten Komponistinnen.

Ilse Fromm wurde 1888 in Hamburg als Tochter eines Mathematikers und Schuldirektors geboren. Früh wurde ihre musikalische Begabung erkannt. Bereits mit acht Jahren zeigte sie Neigung zum Komponieren und erhielt neben dem konventionellen Klavier- auch Harmonielehreunterricht. Schon mit dreizehn Jahren wurde sie nach Berlin zum Studium an der Musikhochschule geschickt, wo sie drei Jahre lang Unterricht erhielt. Wichtiger wurden für sie die drei folgenden Jahre am Stern’schen Konservatorium, wo der bedeutende Pianist James Kwast und Hans Pfitzner ihre Lehrer wurden. Sie selbst betonte allerdings später, daß der Unterricht bei Pfitzner nur ein Jahr gedauert habe, da dieser dann Berlin verließ, und daß sie selbst sich eher als Autodidaktin betrachte, die sich in Fragen der Instrumentation selbständig mit Hilfe der Instrumentationslehre von Berlioz-Strauß orientiert habe, im übrigen sich aber auf ihr »eigenes inneres und äußeres Hören verließ.« 1911–1913, nachdem sie bereits eine umfangreiche Konzerttätigkeit aufgenommen hatte, studierte sie noch einmal in Köln, wo besonders der Pianist Carl Friedberg einen starken Einfluß auf sie ausübte.

Das besondere Interesse für die zeitgenössische, noch keineswegs allgemein akzeptierte Musik zeigte sich etwa darin, daß die Achtzehnjährige die außerordentlich schwierigen und damals unerhört modernen Bach-Variationen von Max Reger in drei Wochen studierte und auswendig lernte, um sie einen Tag nach ihrer Uraufführung öffentlich zu spielen. Der beeindruckte Komponist stellte ihr daraufhin ein Empfehlungsschreiben aus. In die Programme ihrer Klavierabende nahm sie Werke zeitgenössischer Komponisten wie Reger, Pfitzner, Busoni, später Bartòk, Strawinsky, Hindemith, Schönberg, Berg und Webern sowie eigene Kompositionen auf, oder widmete diese ausschließlich zeitgenössischen Werken. Sie spielte als Solistin die anspruchsvollen Klavierkonzerte von Rachmaninoff, Reger und Busoni. 1923/24 wirkte sie als ständige Pianistin in dem von H. H. Stuckenschmidt und Josef Rufer organisierten Zyklus Neue Musik in Hamburg mit und spielte unter Schönbergs Leitung den Klavierpart in dessen Pierrot Lunaire.

Eine solche intensive Auseinandersetzung mit der Musik der Zeit konnte nicht ohne Auswirkungen auf ihr eigenes Schaffen sein. So ist zunächst der Einfluß Pfitzners oder Regers nicht zu verkennen. Dennoch ist bemerkenswert, mit welcher Selbständigkeit die junge Komponistin von Anfang an


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