Gisela Distler-Brendel
Zwischen Tradition und Moderne –
Die Komponistin Ilse Fromm-Michaels
(1888–1986)
Zu den Künstlern, deren Schaffen und Leben durch die Repressalien des
Nationalsozialismus einschneidend beeinträchtigt oder gar zerstört
wurden, gehört die Pianistin und Komponistin Ilse Fromm-Michaels, geboren
in Hamburg 1888. Eine glänzende Karriere hatte sie als ausübende
wie als schöpferische Musikerin bereits aufgebaut, als diese durch die
Maßnahmen des NS-Regimes gewaltsam abgebrochen wurde. Ilse Fromm war
mit einem jüdischen Mann verheiratet, ein Grund ihr nach der Machtergreifung
Hitlers nach und nach alle öffentlichen künstlerischen Aktivitäten
zu verbieten.
Schon sehr früh setzte sich die junge Pianistin in
ihren Konzerten für die Musik ihrer Zeit ein, spielte Werke von Reger,
Busoni, Hindemith, Strawinsky, Bartòk, Schönberg, Berg und Webern.
Die Reihe bedeutender Dirigenten, unter deren Leitung sie konzertierte, weist
Namen wie Furtwängler, Klemperer, Schuricht, Jochum und Nikisch auf.
Ihre kompositorischen Arbeiten lassen eine bemerkenswert sichere Beherrschung
des Handwerks und eine eigenständige musikalische Sprache erkennen,
die ausgehend von einem spätromantischen, bisweilen auf ihren Lehrer
Pfitzner verweisenden Stil, sich später bis an die Grenze der Atonalität
hin entwickelte.
Nach der Verhängung des Berufsverbotes, das ihr
das Konzertieren als Pianistin und die Aufführung ihrer Werke verwehrte,
setzte sie ihr kompositorisches Schaffen wohl in der Stille fort, geriet
für die musikalische Öffentlichkeit jedoch über Jahre hinaus
in Vergessenheit. Zwar erfuhr sie nach dem Ende des Dritten Reiches die Genugtuung,
auf eine Professur an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater
berufen zu werden (allerdings nicht als Komponistin, sondern als Pianistin),
erlebte erfolgreiche Aufführungen und Rundfunksendungen ihrer Werke
und die Verleihung ehrenvoller Preise. Ihre schöpferischen Kräfte
waren jedoch gebrochen. Seit 1949 komponierte sie nicht mehr, wenn auch ihr
Selbstverständnis als Komponistin bis ans Ende ihres Lebens erhalten
blieb. Sie starb 1986 im hohen Alter von 97 Jahren. Erst in letzter Zeit,
mit dem zunehmenden Interesse für das Schaffen komponierender Frauen,
waren Werke von Ilse Fromm-Michaels wieder zu hören. Im Rahmen des 2.
Internationalen Komponistinnen-Festivals 1990
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