- 107 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
  Erste Seite (2) Vorherige Seite (106)Nächste Seite (108) Letzte Seite (422)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Gisela Distler-Brendel

Zwischen Tradition und Moderne –
Die Komponistin Ilse Fromm-Michaels
(1888–1986)

Zu den Künstlern, deren Schaffen und Leben durch die Repressalien des Nationalsozialismus einschneidend beeinträchtigt oder gar zerstört wurden, gehört die Pianistin und Komponistin Ilse Fromm-Michaels, geboren in Hamburg 1888. Eine glänzende Karriere hatte sie als ausübende wie als schöpferische Musikerin bereits aufgebaut, als diese durch die Maßnahmen des NS-Regimes gewaltsam abgebrochen wurde. Ilse Fromm war mit einem jüdischen Mann verheiratet, ein Grund ihr nach der Machtergreifung Hitlers nach und nach alle öffentlichen künstlerischen Aktivitäten zu verbieten.

Schon sehr früh setzte sich die junge Pianistin in ihren Konzerten für die Musik ihrer Zeit ein, spielte Werke von Reger, Busoni, Hindemith, Strawinsky, Bartòk, Schönberg, Berg und Webern. Die Reihe bedeutender Dirigenten, unter deren Leitung sie konzertierte, weist Namen wie Furtwängler, Klemperer, Schuricht, Jochum und Nikisch auf. Ihre kompositorischen Arbeiten lassen eine bemerkenswert sichere Beherrschung des Handwerks und eine eigenständige musikalische Sprache erkennen, die ausgehend von einem spätromantischen, bisweilen auf ihren Lehrer Pfitzner verweisenden Stil, sich später bis an die Grenze der Atonalität hin entwickelte.

Nach der Verhängung des Berufsverbotes, das ihr das Konzertieren als Pianistin und die Aufführung ihrer Werke verwehrte, setzte sie ihr kompositorisches Schaffen wohl in der Stille fort, geriet für die musikalische Öffentlichkeit jedoch über Jahre hinaus in Vergessenheit. Zwar erfuhr sie nach dem Ende des Dritten Reiches die Genugtuung, auf eine Professur an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater berufen zu werden (allerdings nicht als Komponistin, sondern als Pianistin), erlebte erfolgreiche Aufführungen und Rundfunksendungen ihrer Werke und die Verleihung ehrenvoller Preise. Ihre schöpferischen Kräfte waren jedoch gebrochen. Seit 1949 komponierte sie nicht mehr, wenn auch ihr Selbstverständnis als Komponistin bis ans Ende ihres Lebens erhalten blieb. Sie starb 1986 im hohen Alter von 97 Jahren. Erst in letzter Zeit, mit dem zunehmenden Interesse für das Schaffen komponierender Frauen, waren Werke von Ilse Fromm-Michaels wieder zu hören. Im Rahmen des 2. Internationalen Komponistinnen-Festivals 1990


Erste Seite (2) Vorherige Seite (106)Nächste Seite (108) Letzte Seite (422)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 107 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft