3.2
Ortrud
Ortrud stellt die weibliche Kontrastfigur Elsas dar. Auch wenn Elsa durch
die Verletzung des Frageverbotes Lohengrin in seine Gralswelt zurückgetrieben
hat, geschieht dies nur unter dem Einfluss Ortruds. Ebenso agiert Telramund
lediglich durch Ortruds Intrigen feindselig gegenüber Elsa und Lohengrin.
Daher ist sie die eigentliche Gegenspielerin Lohengrins, obwohl beide nie
in direkten Widerstreit treten. In dem oben zitierten Brief Wagners an Franz
Liszt vom 30. Januar 1853 wird Wagners Einstellung zu Ortrud besonders deutlich.
Der Brief sagt einiges aus über seine Beziehung zu Frauen:
»[...] Ortrud [ist] ein Weib..., das – die Liebe nicht kennt. Hiermit
ist Alles, und zwar das Furchtbarste, gesagt.
Ihr Wesen ist Politik. Ein politischer
Mann ist widerlich, ein politisches Weib aber ist
grauenhaft: diese Grauenhaftigkeit hatte ich darzustellen. Es ist
eine Liebe in diesem Weibe, die Liebe
zu der Vergangenheit, zu untergegangen
Geschlechtern, die entsetzlich wahnsinnige Liebe des
Ahnenstolzes, die sich nur als Haß gegen alles Lebende, wirklich
Existierende äußern kann. Beim Manne
wird solche Liebe lächerlich, bei
dem Weibe aber furchtbar, weil das Weib – bei seinem natürlichen
starken Liebesbedürfnisse – etwas lieben
muß, und der Ahnenstolz, der Hang
am Vergangenen, somit zum mörderischen Fanatismus wird.
Wir kennen in der Geschichte keine grausameren Erscheinungen als
politische Frauen.«
(Strobel/Wolf 1979, 273–274)
An welche Figuren Wagner dabei gedacht hat, ist nicht ersichtlich. Im weiteren
Verlauf des Briefes spezifiziert er jedoch das besondere der weiblichen Politisierung
wie eine Tatsache. Ohne konkrete geschichtliche Belege bleiben solche Behauptungen,
und mehr sind sie nicht, im leeren Raum stehen. Weiter ist zu lesen:
»Nicht Eifersucht auf Elsa – etwas [sic!] um Friedrich’s Willen
– bestimmt daher Ortrud, sondern
ihre ganze Leidenschaft enthüllt
sich einzig in der Scene des IIen Actes, wo sie – nach Elsas
Verschwinden vom Söller – von den Stufen
des Münsters aufspringt und ihre
alten, längst verschollenen Götter anruft. Sie ist eine
Reaktionärin, eine nur auf das Alte
bedachte und deshalb allem Neuem
Feindgesinnte, und zwar im wüthendsten Sinne des Wortes.
[...] Aber dieß ist keine eigensinnige, kränkelnde
Laune bei Ortrud, sondern mit der
ganzen Wucht eines – eben nur verkümmerten,
unterentwickelten, gegenstandslosen – weiblichen Liebesverlangens
nimmt diese Leidenschaft ein [...].«
(ebd., 274)
Hier zeigt sich sehr deutlich Wagners Furcht vor einer ihm ebenbürtigen
oder sogar überlegenen Frau. Frauen haben sich dem Mann unterzuordnen.
Dies wird in der Figur der Elsa dargestellt. Eine Frau, die sich nicht durch
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