- 101 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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ihren Mann definiert, sondern ihr eigenes Schicksal in die Hand nimmt, verneint nach Wagner die ihr zukommende Rolle in der Natur, die Leben spendende Mutter. Daher empfindet Wagner eine solche Frau als Bedrohung seiner Existenz. Die politische Frau richtet sich seiner Meinung nach gegen das Leben selbst, sie wird zur Vernichterin, so auch Ortrud in Lohengrin . In der ganzen Emotionalität, mit der sich Wagner gegen eine solche Frau ausspricht, ist die tiefe Furcht vor ihr zu spüren. Gleichzeitig scheint er von ihr fasziniert zu sein. So spricht Wagner von Ortrud als »furchtbar großartig.« (ebd.) Wenn er in dem Brief sehr überzeugend seine Abneigung gegen die ›politische‹ Frau äußert, ist in dieser Aussage eine Ambivalenz zu spüren. So sehr er die ideale Frau Elsa herbeisehnt, so kann er sich trotzdem nicht ganz von der Anziehungskraft einer unabhängigen und starken Frau freisprechen.

3.3 Wagners Frauenbild

Offen bleibt noch die Frage, ob Wagners Frauenbild, dass er in seinem Werk zeigt, auch für seine eigene Lebenswirklichkeit gilt. Wie Schreiber glaubt, will Lohengrin Elsas Individuation als geschlechtsbestimmtes Wesen verhindern. Das von der Gesellschaft gezeichnete Wunschbild der Frauen in Wagners Zeit nahm das Geschlechtliche jedenfalls stark zurück. Vielmehr war der mädchenhafte und zugleich mütterliche Typ gefragt. Als Minna und Richard sich kennenlernten, entsprach Minnas Erscheinungsbild genau der damaligen Wunschvorstellung einer Frau. Sie war sowohl mädchenhaft, als auch gleichzeitig mütterlich (vgl. Gregor-Dellin 1976, 96). Ebenso führten Richard und Minna keine gleichberechtigte Beziehung. Wie Elsa in ihrer Beziehung zu Lohengrin hatte Minna sich Wagners Wünschen unterzuordnen. Er sah es nicht gerne, dass seine Frau arbeitete und zeitweise sogar erfolgreicher war als er. Sein Ego fühlte sich verletzt, wenn er nur durch Minna zu einer Anstellung gelangte. Schließlich verbot Wagner seiner Frau, weiter in ihrem Beruf tätig zu sein, obwohl es eine finanzielle Erleichterung für den überschuldeten Haushalt des Ehepaares bedeutet hätte. Auch hatte Minna in Wagners Augen ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und ganz für seine Sache zu leben. Solange etwas gut für das Schaffen Wagners war, so hatte auch Minna dies gut zu heißen, selbst wenn es erhebliche finanzielle und auch gesundheitliche Probleme für sie mit sich brachte. Kritik an seiner Person und seinem Schaffen duldete Wagner nicht. Minna aber hat sich nie in der Weise untergeordnet, wie Wagner es sich wünschte. Sie sagte oft ihre Meinung und machte ihm wohl auch einige Vorhaltungen, wenn sie mit seinem Handeln nicht einverstanden war. So kam es zu häufigen, teilweise


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