- 112 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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die Umstände, unter denen Lenz Beachtung findet, eine Belastung für ihn. Aus ängstlicher Besorgnis publiziert er seine Werke anonym. Die Öffentlichkeit glaubt, Goethe sei der Verfasser. Als bekannt wird, daß sie von Lenz stammen, gilt er als Nachahmer Goethes. Die Reaktionen werden zurückhaltender. Ablehnung und Desinteressse folgen. Das dritte Drama Die Soldaten findet keine Beachtung. Weder erscheinen Rezensionen noch wird das Stück aufgeführt. Lenz' Stimmung wechselt zwischen Zuversicht und tiefer Depression. An der Konkurrenz zu Goethe, der überall Erfolge feiert, leidet er. Selbstzweifel und Todesgedanken plagen ihn.

     Die Komödie Die Soldaten erscheint ohne Angabe des Verfassers zur Leipziger Ostermesse des Jahres 1776. Für das 18. Jahrhundert ist keine weitere Veröffentlichung bekannt. Daß Lenz der Autor ist, geht aus Briefen an Johann Gottfried Herder hervor. Lenz bittet darum, seine Urheberschaft geheimzuhalten, da Stoff und Personen der Komödie seiner Umgebung entstammen und durch die Verlegung des Ortes nach Flandern nur notdürftig verdeckt sind. Aus demselben Grund wartet er mit der Drucklegung des bereits im Juli 1775 beendeten Manuskripts. Das Buch soll nicht in Straßburger Buchhandlungen verkauft werden und noch nach der Veröffentlichung bestreitet Lenz die Urheberschaft. Er bittet Friedrich Maximilian Klinger, sich als Verfasser der Soldaten auszugeben. 1819 schreibt Klinger:


"Lenz war in Straßburg und hatte die 'Soldaten', ein Lustspiel geschrieben. Auf einmal glaubte er wirklich Ursache zu haben oder bildete sich nur ein, er habe durch seine Komödie das französische Militär sehr beleidigt, und dieses gienge mit dem Gedanken um, Rache dafür an ihm zu nehmen. Er schrieb mir sehr ängstlich und bat mich dringend, seinem Verleger zu schreiben, ich sei der Autor des Stückes ... (Aber) das Militär dachte nicht an Lenz ...".

(Lenz, Dramen 369-370).


Nach Lenz' Tod berichtet Friedrich Nicolai von einem Besuch, den Lenz mit der Bitte um eine Empfehlung verbindet. Nicolai schildert ausführlich das umständliche und ängstliche Verhalten des jungen Lenz:


"Lenz hatte keinen schlechten, staubichten schwarzen Rock an, sondern war in Reisekleidern ganz ordentlich gekleidet. Aber er war so ceremoniös, so äußerst ängstlich, sagte, auf Befragen, er komme von Königsberg, gehe nach Straßburg und sey der belles lettres beflissen, und fügte stammelnd hinzu, er habe wohl eine Bitte an mich, ohne sich näher zu erklären was es sey. Da nun eben bey dieser Unterredung ein Freund zu mir kam, stand er auf, und alles Bitten ohnerachtet, daß er sein Anliegen sagen möge, bat er um Erlaubniß den andern Tag wieder zu kommen, wenn ich allein wäre. ... Das Anliegen war denn ... eine Übersetzung von Popens Essay on Criticism in deutschen Alexandrinern. Hierüber verlangte er mein Urtheil; vom Drucke war noch


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