Mann sind nur einige Beispiele einer solchen Praxis. Der satztechnisch perfekte
Filmkomponist der Operntradition der dreißiger und vierziger Jahre wird in den
fünfziger Jahren zum Songwriter. Damit entdeckte das Kino zugleich eine neue
Zielgruppe: die Jugendlichen. Die Sujets der Filme änderten sich entsprechend:
Der Wilde (USA 1953, Regie: Laslo Benedek; Musik: Leith Stevens) zeigt den
jungen Marlon Brando als Motorrad-Rocker, Denn sie wissen nicht, was sie tun
(USA 1955, Regie: Nicholas Ray, Musik: Leonard Rosenman) beschreibt die
jungen gelangweilten amerikanischen Jugendlichen und macht James Dean zum
Kultstar. In dieser Zeit fügt sich der Jazz in die Filmmusik Hollywoods ein.
In Filmen wie Endstation Sehnsucht (USA 1951, Regie: Elia Kazan; Musik:
Alex North) oder Die Faust im Nacken (USA 1954, Regie: Elia Kazan, Musik:
Leonard Bernstein) steht der Jazz als Synonym für soziale Problematik und hat
nichts mehr mit der unterhaltenden Jazzsinfonik eines George Gershwin zu
tun.
Bedeutete der Jazz bereits eine Abkehr von der romantischen Opernsinfonik
der dreißiger und vierziger Jahre, so kam es noch drastischer: In dem Film
Die Saat der Gewalt (USA 1955, Regie: Richard Brooks) erklingt Bill Haleys
»Rock around the Clock« als Titelsong, ein Symbol für die »verkommene
amerikanische Jugend«. Der Rock’n Roll ist geboren, eine Musikmode erobert die
Welt.19
Eine Welle von Rock’n Roll-Filmen überschwemmte nun den Markt; Elvis Presley
beispielsweise verfolgte eine Karriere als Sänger und singender Schauspieler, seine Songs
wurden zu großen Verkaufsschlagern. Wurde in den zwei Jahrzehnten zuvor der
autonome Stil zumindest imitiert, so arbeiten Filmkomponisten in den fünfziger Jahren
nur in Einzelfällen mit Zitaten. Es gab keine hundertköpfigen Sinfonieorchester mehr, ein
einziger Song, sogar ein einzelnes Instrument genügte mitunter, wie Carol Reeds Der Dritte
Mann (GB 1949, Musik: Anton Karas) beweist, der auf das Zitterspiel eines Dorfmusikanten
zurückgeht.20
20 Schmidt 1982b, S. 77–78.
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Neben Darbys/Du Bois’ Monographie befaßt sich auch Mark Evans in seiner Monographie
Soundtrack: The Music of the Movies mit herausragenden Filmmusiken der fünfziger
Jahre.21
21 Mark Evans: The Music of the Movies. New York 1979.
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6.4. Tendenzen seit den 60er Jahren: Einsparungen in der Filmmusik
Anfang der sechziger Jahre setzte sich aus den Einsparungen der Filmindustrie die
Erkenntnis durch, daß weniger mehr ist. So demonstrierte beispielsweise Bernard
Herrmann sehr eindrucksvoll, wie ein kleines Streichorchester der psychologischen
Wirkung eines Films dienlich sein kann, wenn man die Musik zum einen auf wenige
Einsatzstellen beschränkt und zum anderen mit dem gleichen wiederkehrenden Material
arbeitet: Hitchcocks Psycho (USA 1960) ist heute unvergessen nicht zuletzt wegen der
berühmten Duschszene, in der nicht nur Norman Bates mit dem Messer auf Marion
Crane einsticht, sondern im gleichen Augenblick auch die Violinen durch grelle und
spitze Glissandi. Diese Reduktion des musikalischen Materials ist Teil einer der zwei
Tendenzen, die sich in den sechziger Jahren ergeben: die Entwicklung
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