- 98 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Mann sind nur einige Beispiele einer solchen Praxis. Der satztechnisch perfekte Filmkomponist der Operntradition der dreißiger und vierziger Jahre wird in den fünfziger Jahren zum Songwriter. Damit entdeckte das Kino zugleich eine neue Zielgruppe: die Jugendlichen. Die Sujets der Filme änderten sich entsprechend: Der Wilde (USA 1953, Regie: Laslo Benedek; Musik: Leith Stevens) zeigt den jungen Marlon Brando als Motorrad-Rocker, Denn sie wissen nicht, was sie tun (USA 1955, Regie: Nicholas Ray, Musik: Leonard Rosenman) beschreibt die jungen gelangweilten amerikanischen Jugendlichen und macht James Dean zum Kultstar. In dieser Zeit fügt sich der Jazz in die Filmmusik Hollywoods ein. In Filmen wie Endstation Sehnsucht (USA 1951, Regie: Elia Kazan; Musik: Alex North) oder Die Faust im Nacken (USA 1954, Regie: Elia Kazan, Musik: Leonard Bernstein) steht der Jazz als Synonym für soziale Problematik und hat nichts mehr mit der unterhaltenden Jazzsinfonik eines George Gershwin zu tun.

Bedeutete der Jazz bereits eine Abkehr von der romantischen Opernsinfonik der dreißiger und vierziger Jahre, so kam es noch drastischer: In dem Film Die Saat der Gewalt (USA 1955, Regie: Richard Brooks) erklingt Bill Haleys »Rock around the Clock« als Titelsong, ein Symbol für die »verkommene amerikanische Jugend«. Der Rock’n Roll ist geboren, eine Musikmode erobert die Welt.19

19 Maas 1994, S. 27.
Eine Welle von Rock’n Roll-Filmen überschwemmte nun den Markt; Elvis Presley beispielsweise verfolgte eine Karriere als Sänger und singender Schauspieler, seine Songs wurden zu großen Verkaufsschlagern. Wurde in den zwei Jahrzehnten zuvor der autonome Stil zumindest imitiert, so arbeiten Filmkomponisten in den fünfziger Jahren nur in Einzelfällen mit Zitaten. Es gab keine hundertköpfigen Sinfonieorchester mehr, ein einziger Song, sogar ein einzelnes Instrument genügte mitunter, wie Carol Reeds Der Dritte Mann (GB 1949, Musik: Anton Karas) beweist, der auf das Zitterspiel eines Dorfmusikanten zurückgeht.20
20 Schmidt 1982b, S. 77–78.
Neben Darbys/Du Bois’ Monographie befaßt sich auch Mark Evans in seiner Monographie Soundtrack: The Music of the Movies mit herausragenden Filmmusiken der fünfziger Jahre.21
21 Mark Evans: The Music of the Movies. New York 1979.

6.4.  Tendenzen seit den 60er Jahren: Einsparungen in der Filmmusik

Anfang der sechziger Jahre setzte sich aus den Einsparungen der Filmindustrie die Erkenntnis durch, daß weniger mehr ist. So demonstrierte beispielsweise Bernard Herrmann sehr eindrucksvoll, wie ein kleines Streichorchester der psychologischen Wirkung eines Films dienlich sein kann, wenn man die Musik zum einen auf wenige Einsatzstellen beschränkt und zum anderen mit dem gleichen wiederkehrenden Material arbeitet: Hitchcocks Psycho (USA 1960) ist heute unvergessen nicht zuletzt wegen der berühmten Duschszene, in der nicht nur Norman Bates mit dem Messer auf Marion Crane einsticht, sondern im gleichen Augenblick auch die Violinen durch grelle und spitze Glissandi. Diese Reduktion des musikalischen Materials ist Teil einer der zwei Tendenzen, die sich in den sechziger Jahren ergeben: die Entwicklung


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