im Jahre 1928 mit ihrem
Manifest zum Tonfilm. Der neue Sprechfilm zeichnete sich durch wirklichkeitsnahe
Stoffe aus, beispielsweise soziale Fragen und vor allem Geschichten aus dem
Gangstermilieu, was letztlich auch auf die ausgebrochene Weltwirtschaftskrise
zurückzuführen ist. Charakteristisch für diese Filme war eine spannende Handlung, aber
auch eine bisher ungekannte realistische Geräuschwelt wie Polizeisirenen oder
Maschinengewehrfeuer. Musik war hier nicht notwendig. Doch diese Realismuswelle
dauerte nicht lange, denn die Weltwirtschaftskrise erzeugte in der Bevölkerung eine solch
pessimistische Stimmung, daß es nicht ratsam war, auch noch im Kino eine
deprimierende Wirklichkeit vorzuführen. Die Filmindustrie begriff sehr schnell, daß es
weitaus wichtiger sei, Filme mit phantastischen und märchenhaften Stoffen zu
servieren.15
6.2. Die 30er und 40er Jahre: Sinfonische Operntradition
Der Wunsch nach phantastischen und märchenhaften Stoffen hatte auch Auswirkungen
auf die Filmmusik. So komponierte beispielsweise Max Steiner die Filmmusik zu dem
phantastischen Streifen King Kong von M. C. Cooper aus dem Jahre 1932. Steiner, der
heute als Wegbereiter der großen Hollywood-Sinfonik gilt, tauchte den Film vom Anfang
bis zum Ende in Musik. Jede Gebärde und jede Aktion wurde im Sinne einer
Verdoppelung entsprechend akustisch nachgerechnet. In der Filmsprache wurde dieses
Verfahren auch mickey-mousing genannt, trat jedoch erstmals in Walt Disneys Trickfilm
Steamboat Willie auf. Doch zu Steiners musikalischen Deskriptionen tritt zum anderen
auch die strikte Bildung musikalischer Themen, die an bestimmte Figuren des
Films gebunden sind. Ein bekanntes Beispiel ist das Tara-Thema aus Flemings
Vom Winde verweht aus dem Jahre 1939. Durch solche Leitmotivtechniken, die
in einem unermüdlichen Musikfluß eingebunden waren, lebte die sinfonische
Operntradition Richard Wagners oder etwa Richard Strauss’ wieder auf. Dem schlossen
sich auch Komponisten wie Erich Wolfgang Korngold, Dimitri Tiomkin, Hugo
Friedhofer, Miklós Rózsa, Victor Young oder Franz Waxman an, d.h. autonome
Musik wurde fortan nicht mehr ausschließlich zitiert, sondern in erster Linie
imitiert. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: Der Naziterror spülte eine Welle
europäischer Kulturschaffender an die sonnige kalifornische Küste. Komponisten wie
Steiner oder Waxman flohen Anfang der dreißiger Jahre aus Deutschland, ihr
Handwerk haben sie bei Opernkomponisten des ausgehenden 19. und beginnenden
20. Jahrhunderts gelernt. Sie gelten als Statthalter einer mitteleuropäischen
Musiktradition. In dem epischen Kino der dreißiger und vierziger Jahre fanden sie eine
Opernersatzbühne. Nicht zuletzt wies der filmische Stoff auch starke Ähnlichkeiten mit
den Inhalten der Opern des späten 19. Jahrhunderts auf: Staatsaktionen, die mit
romantischen Liebesszenen aufgelockert werden. So wurde beispielsweise auch in
Filmen wie Vom Winde verweht oder Herr der sieben Meere (USA, 1940; Regie:
Michael Curtiz, Musik: E. W. Korngold) der Vorspann als Ouvertüre ausgewiesen.
Versuche, eine eigenständige amerikanische Filmmusik zu begründen, waren dagegen
vergleichsweise dünn gesät. Persönlichkeiten
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