sie jedoch durch ihre fest umrissene Bedeutung Worte ersetzen können, sogar
präziser sind als Leitmotive, können sie nicht nur beschreiben, sondern das Bild
ergänzen durch ihre Assoziationen, die das Filmbild nicht widerspiegelt und
somit ergänzende Informationen für den Zuschauer bedeuten. Hier können
die Zusatzinformationen, die nur von dem Zitat ausgehen, das Bild durchaus
kommentieren. Als emotionaler Appell kann das Zitat zur Parodie durch Verfremdung
werden, indem die Botschaft des Zitat in parodischem Gegensatz zum Bild oder
aber zur gesamten Dramaturgie des Films steht. Das Erkennen einer solchen
Verfremdung kann zuweilen den Eindruck von Komik, Ironie bis hin zur Groteske beim
Zuschauer führen. Lissa bezeichnet diese Funktion schlichtweg als »Kontrast«.
Die Steigerung dieser Verfremdung ist die gezielt gesetzte Pointe durch das
Zitat, wenn es offensichtlich vollkommen verquer zu seiner Bedeutung im Film
auftritt.32
32 Motte-Haber/Emons 1980, S. 208.
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Schmidt nennt in seiner These das Beispiel »Les Préludes« von Liszt, die im Dritten
Reich mißbraucht werden, um Rundfunkmeldungen von der Ostfront pompös
einzuleiten. Als solche sind sie bereits semantisch »belastet«. In dem in der besetzten
Tschechoslowakei spielenden Film Liebe nach Fahrplan aus dem Jahr 1966 verwendet der
Komponist Jiri Sust eben dieses semantisch neu besetzte Zitat als Nazi-Emblem. Zwar
wird das Zitat durch die Dramaturgie persifliert und dadurch eine gewisse Komik
erzeugt, jedoch enthüllt es dem Zuschauer auch eine Ambivalenz, weil die Musik ihre
semantische Besetzung als Nazi-Attitüde behält. Dadurch wirkt sie wie eine
Metapher für die nachfolgende Ermordung des Protagonisten, wodurch die Nähe der
Komik zur Tragik deutlich wird. Das Filmbeispiel verdeutlicht auch, daß eine
semantische Neubesetzung des Zitats in einem Film – wie das Werk Liszts als
Nazi-Attitüde – in seiner weiteren Rezeptionsgeschichte zur Groteske werden
kann.
Bis zu diesem Punkt stimmen Lissas und de la Motte-Habers Ausführungen überein.
Darüber hinaus geht Lissa an einzelnen Filmszenen wiederum sehr ins Detail.
Weitere Funktionen des Zitats sieht sie zusammengefaßt in der Unterstreichung
eines Milieus, sofern das Zitat eher »banal« ist; das Zitat kann darüber hinaus
nur den Filmhelden charakterisieren. In diesem Fall spricht Gerhold auch
von einer psychologischen Charakterisierung der Personen durch autonome
Musik, da »die in Melodie, Rhythmus und Klangbild angelegten Wirkungen
ein eigenes Psychogramm, Psychotöne von Raum, Landschaft und Personen
erzeugen.«33
33 Hans Gerhold: »Kreischende Glissandi zum schrillsten Mord. Musik und Film zwischen
Bombastsound und Psychoklängen.« Westfälische Nachrichten (7. September 1996)
Panorama.
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Ebenfalls einen eher wirkungsorientierten Einsatz erfährt das Zitat, wenn es sich ganz
unabhängig von der Dramaturgie des Films ausschließlich an den Zuschauer wendet,
indem dieser mit seinen ihm eigenen durch das Zitat hervorgerufenen Emotionen und
Assoziationen das Bild bereichern kann. Hierin sieht auch Schneider neben dem
musikdramaturgischen Konzepten folgenden Einsatz im Autorenfilm eine weitere
Variante. Er bezeichnet sie als musikpsychologischen Einsatz von Zitaten: als
strategischer Trick eingesetzt, setzt der Regisseur auf den Mechanismus, daß vertraute
Musik stärkere emotionale Zuwendung erfährt, so daß sich die durch die vertraute Musik
hervorgerufene Stimmung des Zuschauers schnell auf die Filmbilder überträgt. Auf
diesem Wege versucht der Regisseur, den Betrachter in die Filmbilder hineinzuziehen.
Sowohl bei Gerhold als auch hier kann man jedoch nicht mehr von
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