- 84 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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dokumentarischen Bildern umsetzt.28
28 Schneider 1986, S. 36–37.
Hier muß jedoch einschränkend hinzugefügt werden, daß die These Schmidts hier nur bedingt bestätigt wird, da Schneider lediglich die Semantisierung des Zitats durch den Film erläutert. Da der Einsatz jedoch aus einem affektiven Bezug des Regisseurs erfolgt, ist unklar, ob dieser rein musikhistorischer oder individuell psychologischer Art ist.

Zwar spricht Lissa in diesem Zusammenhang nicht von »semantischer Beschriftung«, doch ist ihre Sehweise der Funktion eines Zitats damit vergleichbar. Das Zitat bringe – ganz unabhängig vom Inhalt der Szene, in der es auftritt – inhaltliche und emotionale Assoziationen mit sich. Es fügt also zum Bild etwas hinzu, spricht für sich selbst. Die Berührung des filmischen und des musikalischen Inhaltes trägt etwas Neues in den Film ein. Voraussetzung für den Erkenntnisprozeß zwischen Zitat und Film ist allerdings – und dies wird in der Literatur gerne als Kritikansatz verwendet – daß das Zitat als Teil eines autonomen Werkes vom Zuschauer überhaupt erkannt wird, d.h. daß ein gemeinsamer Zeichenvorrat von Sender (Regisseur) und Empfänger (Zuschauer) vorhanden ist oder um es mit den Worten Ecos zu formulieren: der Regisseur muß sich eines Codes bedienen, so daß eine Kommunikation zwischen ihm und dem Zuschauer erst entstehen kann. Indem Regisseur oder Komponist also durch ein Zitat mit bestimmten Assoziationen beim Zuschauer rechnen, setzen sie einen musikalisch vorgebildeten Hörer voraus. Falls dies der Fall sein sollte, können sie in jedem gewünschten Augenblick das Erlebnis des Filmpublikums um neue Assoziationen bereichern. Motte-Haber nennt diesen Vorgang auch »Kodierung von Mitteilungen.«29

29 Motte-Haber/Emons 1980, S. 201.
Sofern das Zitat vom Zuschauer erkannt wird, hat es die Erinnerung an den Kontext, aus dem es stammt, wachzurufen. Herkunft und ursprünglicher Sinn werden zur Hauptsache. Kloppenburg befürwortet den Gebrauch von Zitaten und argumentiert am Beispiel von Viscontis Tod in Venedig, in dem der Regisseur Mahler zitiert, mit der »dialektischen Wechselwirkung von Gegenstand und Betrachter« (Segler): »Musik kann sich uns nicht in dem Maße verständlich machen, wie etwa die Sprache, aber wir können durch sie empfinden, sie bewegt uns, wenn wir ihre Zeichen aufgrund gelernter Erfahrung verstehen.«30
30 Helmut Segler: »Didaktischer Kommentar.« In: Schmidt 1982b, S. 114.
Auch Gorbman bestätigt sowohl die Aussagekraft als auch die neue Semantisierung eines Zitats, wenn sie schreibt, daß jede Musik kulturelle Assoziationen birgt: »It became clear that the semiological notion of codes is crucial to the study of how film music means. [...] Music signifies in films not only according to pure musical codes, but also according to cultural musical and cinematic musical codes. Any music bears cultural associations [...]. It may have a fixed and static designation, or it can evolve and contribute to the dynamic flow of the narrative by carrying its meaning into a new realm of signification.«31
31 Gorbman 1987, S. 3.

Motte-Haber schreibt dem Zitat im Film im wesentlichen vier Funktionen zu: Beschreibung und Ergänzung durch Kommentar sowie emotionaler Appell und Pointe. Paraphrasierende Zitate, die durch ihren Inhalt das Leinwandgeschehen beschreiben bzw. verdoppeln, eröffnen keine grundsätzlich neuen Perspektiven. Da


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