- 82 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (81)Nächste Seite (83) Letzte Seite (600)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Identifizierung kleinster bedeutungstragender filmischer Einheiten offengelegt. Da hier nicht nur die visuell, sondern auch die akustisch wahrnehmbaren Phänomene des Films zu Zeichen erklärt werden, wird auch die Musik zu einem Zeichen. Max Bense schreibt hierzu: »Alle zur Herstellung eines Kunstwerks verwendeten Elemente wie Töne, Farben, Wörter, Kontraste, Linien, Formen, Modulationen usw. sind als ›Zeichen‹ zu verstehen«23
23 Max Bense: Semiotik. Allgemeine Theorie der Zeichen. Baden-Baden 1967, S. 22.
, d.h. daß Musik als ein solches Zeichen auch eine semantische Aufgabe als eine der Beziehunsgmöglichkeiten von Zeichen und ihrer Bedeutung erfüllen kann.24
24 Der Vollständigkeit halber muß jedoch hinzugefügt werden, daß in der Literatur Uneinigkeit darüber herrscht, ob Film absolut als Sprachsystem aufzufassen sei. Zwar ist die Rezeption von Musik und Film mit genannten Kommunikationsmodellen nach Maletzke und Aufermann vergleichbar, die Musik – wie der Film – kann jedoch nach Meinung vieler Theoretiker nicht absolut mit einem Kommunikations- oder Sprachsystem verglichen und mit dem Vokabular der Kommunikationstheorie analysiert werden kann. Versuche, Film als Kommunikationsmittel ganzheitlich in der Weise zu erfassen, daß alle Bedeutungsebenen ihren Implikaten Rechnung tragen müssen, stoßen auf das Problem, daß eine Übertragung ihrer Kriterien auf die nichtsprachlichen Ebenen eines Films nicht möglich ist, da diesen keine kommunikationstheoretische Grammatik zu eigen ist. Musik steht für sich selbst, sie ist zu keiner konkreten Aussage fähig wie die Sprache.
Eine adäquate Analyse und Interpretation dieser Bedeutungsebene von Musik im Film muß daher statt kommunikationstheoretischer Strukturen die musikalischen Strukturen und ihr Verhältnis zur Bildebene und ihren Ausdrucksgehalt zu erkennen geben. Die Bestimmung der Bedeutung von Musik kann allerdings nicht ohne Berücksichtigung ihrer Abhängigkeit der übrigen Ebenen des Films gewährleistet werden. Zudem muß eine Bestimmung der Bedeutungsebene gleichzeitig von intendierten Funktionen der Filmmusik ausgehen im Sinne einer Gesamtdramaturgie, die dem Zuschauer die Filminhalte vermittelt, so auch Schneider: »Qualität von Filmmusik ermittelt sich nicht aus der Struktur der Musik an sich, sondern nur aus dem Grad des Funktionierens auf syntaktischer, semantischer und pragmatischer Ebene.«25
25 Schneider 1986, S. 81.

Die Wahrnehmung und das Verstehen von Filmmusik ist jedoch nicht auf analytisches Hören angelegt, d.h. »Verstehen von Filmmusik heißt [. . . ], den Ausdruck, verstanden als intentionaler Sinn einer Musik, als sich nach einer bestimmten ästhetischen Vorstellung des Komponisten dem Bild gegenüber verhaltenden, wahrzunehmen.«26

26 Kloppenburg 1986, S. 28.
Es ist also Aufgabe des Komponisten oder des Regisseurs, aufgrund von intuitivem Verständnis kommunikativer Zusammenhänge musikalische »Zeichen« zu finden, die der Hörer in Bezug zu Bildern und Bildvorgängen setzen kann. Daher muß sie schnell - gleichzeitig mit dem Dialog und der Bildersprache – verständlich sein. Filmmusik vermittelt also einen Sinn, der als Begriffsfeld verbalisierbar ist. Sie darf nicht rein syntaktischer Natur sein. Dies betrifft besonders den Aspekt der Pragmatik: die Verwendung von Filmmusik geschieht nicht im abstrakten Raum, sondern hat den Zeichenbenutzer zu berücksichtigen, d.h. Filmmusik muß verständlich sein. Zwar ist Musik – auch im Film im Gegensatz zu einem Sprachsystem nicht zu konkreter Aussage fähig, aber ihre gleichzeitige Sinnhaftigkeit und Intention, die im Kino vom Zuschauer in kürzester Zeit wahrgenommen werden soll, charakterisiert Adorno folgendermaßen:

Erste Seite (i) Vorherige Seite (81)Nächste Seite (83) Letzte Seite (600)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 82 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik