Identifizierung
kleinster bedeutungstragender filmischer Einheiten offengelegt. Da hier nicht nur die
visuell, sondern auch die akustisch wahrnehmbaren Phänomene des Films zu Zeichen
erklärt werden, wird auch die Musik zu einem Zeichen. Max Bense schreibt hierzu: »Alle
zur Herstellung eines Kunstwerks verwendeten Elemente wie Töne, Farben,
Wörter, Kontraste, Linien, Formen, Modulationen usw. sind als ›Zeichen‹ zu
verstehen«23
23 Max Bense: Semiotik. Allgemeine Theorie der Zeichen. Baden-Baden 1967, S.
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d.h. daß Musik als ein solches Zeichen auch eine semantische Aufgabe als
eine der Beziehunsgmöglichkeiten von Zeichen und ihrer Bedeutung erfüllen
kann.24
24 Der Vollständigkeit halber muß jedoch hinzugefügt werden, daß in der Literatur
Uneinigkeit darüber herrscht, ob Film absolut als Sprachsystem aufzufassen sei. Zwar ist
die Rezeption von Musik und Film mit genannten Kommunikationsmodellen nach
Maletzke und Aufermann vergleichbar, die Musik – wie der Film – kann jedoch nach
Meinung vieler Theoretiker nicht absolut mit einem Kommunikations- oder
Sprachsystem verglichen und mit dem Vokabular der Kommunikationstheorie analysiert
werden kann. Versuche, Film als Kommunikationsmittel ganzheitlich in der Weise zu
erfassen, daß alle Bedeutungsebenen ihren Implikaten Rechnung tragen müssen, stoßen
auf das Problem, daß eine Übertragung ihrer Kriterien auf die nichtsprachlichen Ebenen
eines Films nicht möglich ist, da diesen keine kommunikationstheoretische Grammatik zu
eigen ist. Musik steht für sich selbst, sie ist zu keiner konkreten Aussage fähig wie die
Sprache.
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Eine adäquate Analyse und Interpretation dieser Bedeutungsebene von Musik im Film
muß daher statt kommunikationstheoretischer Strukturen die musikalischen
Strukturen und ihr Verhältnis zur Bildebene und ihren Ausdrucksgehalt zu erkennen
geben. Die Bestimmung der Bedeutung von Musik kann allerdings nicht ohne
Berücksichtigung ihrer Abhängigkeit der übrigen Ebenen des Films gewährleistet
werden. Zudem muß eine Bestimmung der Bedeutungsebene gleichzeitig von intendierten
Funktionen der Filmmusik ausgehen im Sinne einer Gesamtdramaturgie, die dem
Zuschauer die Filminhalte vermittelt, so auch Schneider: »Qualität von Filmmusik
ermittelt sich nicht aus der Struktur der Musik an sich, sondern nur aus dem
Grad des Funktionierens auf syntaktischer, semantischer und pragmatischer
Ebene.«25
25 Schneider 1986, S. 81.
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Die Wahrnehmung und das Verstehen von Filmmusik ist jedoch nicht auf
analytisches Hören angelegt, d.h. »Verstehen von Filmmusik heißt [. . . ], den Ausdruck,
verstanden als intentionaler Sinn einer Musik, als sich nach einer bestimmten
ästhetischen Vorstellung des Komponisten dem Bild gegenüber verhaltenden,
wahrzunehmen.«26
26 Kloppenburg 1986, S. 28.
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Es ist also Aufgabe des Komponisten oder des Regisseurs, aufgrund von intuitivem
Verständnis kommunikativer Zusammenhänge musikalische »Zeichen« zu finden, die der
Hörer in Bezug zu Bildern und Bildvorgängen setzen kann. Daher muß sie schnell -
gleichzeitig mit dem Dialog und der Bildersprache – verständlich sein. Filmmusik
vermittelt also einen Sinn, der als Begriffsfeld verbalisierbar ist. Sie darf nicht rein
syntaktischer Natur sein. Dies betrifft besonders den Aspekt der Pragmatik: die
Verwendung von Filmmusik geschieht nicht im abstrakten Raum, sondern hat den
Zeichenbenutzer zu berücksichtigen, d.h. Filmmusik muß verständlich sein. Zwar ist
Musik – auch im Film im Gegensatz zu einem Sprachsystem nicht zu konkreter Aussage
fähig, aber ihre gleichzeitige Sinnhaftigkeit und Intention, die im Kino vom Zuschauer in
kürzester Zeit wahrgenommen werden soll, charakterisiert Adorno folgendermaßen:
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