- 72 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Mehr als zwanzig mögliche Funktionen führt Schneider an dieser Stelle an. Natürlich muß hier gesagt werden, daß der Praktiker bei seiner täglichen Arbeit mit Filmmusikkompositionen bei weitem noch immer den differenzierteren Einblick hat als der Filmmusikwissenschaftler. Für eine spätere Analyse, bei der jene bereits erwähnten Funktionsmodelle am praktischen Beispiel erprobt werden sollen, ist dieser Funktionenkatalog jedoch nicht brauchbar, da zu unsystematisch. Die Funktionen, wenn auch konkret formuliert, wirken wie zufällig gruppiert, beinahe wie beliebig aus unzähligen Filmbeispielen zusammengestellt.

Ähnlich problematisch verhält es sich – wie bereits oben angedeutet – mit Lissas Systematik zu den Funktionen von Filmmusik. Als Voraussetzung für das Funktionieren von Musik im Film stellt sie fest, »daß Filmmusik ihrer Natur nach immer zweischichtig ist, daß sie durch sich jeweils zugleich auf etwas von ihr Verschiedenes, d.h. auf einen der vielen nichtmusikalischen Faktoren des Films weist. Darin besteht ihre spezifische Rolle innerhalb des Filmganzen, und daraus entspringen ihre zahllosen Funktionen.«25

25 Lissa 1965, S. 380.
Die Folge ist ein sehr detaillierter Katalog spezifischer Funktionen wie »Musik als Repräsentation der dargestellten Zeit«, die »Musik als Kommentar im Film«, die Musik als »Symbol« etc.26
26 Lissa 1965, S. 116–223.
, die zwar in der Funktions-benennung mit einzelnen Aussagen der oben genannten Autoren übereinstimmen, jedoch als bloße Aufzählung keine übergeordnete Funktionskategorisierung erhalten und daher nicht klar ersichtlich voneinander getrennt werden. Auch Thiel wendet in dieser Hinsicht ein: »Zofia Lissa hat in ihrer Ästhetik der Filmmusik erstmalig den Versuch unternommen, alle denkbaren, audiovisuellen Beiordnungsmöglichkeiten in einem geschlossenen System zu rubrizieren und darzustellen. Allerdings hat Lissa die Gefahr, die hinter jeder Systembildung lauert, nämlich die innere Dynamik der beschriebenen Objekte aus den Augen zu verlieren, nicht gebannt. Das von ihr angebotene System filmmusikalischer Funktionen läßt neben einer notwendigen genrespezifischen Differenzierung eine reinliche Trennung der Kategorien vermissen. So sind beispielsweise die dramatisch-funktionalen, die strukturellen und stilistischen Sachverhalte nicht in ausreichendem Maße voneinander abgegrenzt.«27
27 Thiel 1981, S. 62.
Lissas umfassende und kleingliedrige Aufzählung möglicher Funktionen von Filmmusik ist ebenso eine Folge der vielen Filmsequenzen, die sie aus unterschiedlichsten Filmen und ihren dramaturgischen Zusammenhängen herauslöst und mit denen sie argumentiert. An diesem Punkt setzt auch Kloppenburgs Forderung an, für eine Funktionsbestimmung von Filmmusik nicht nur die einzelne Sequenz, sondern die gesamte Dramaturgie des Films zu beachten. Da die eigentliche Aufgabe jeder Filmmusik in der Vermittlung von Filminhalten als Verständigung zwischen Komponist und Publikum liegt, sind Systematisierungsversuche, die in ihrer Bedeutung lediglich die einzelne zu analysierende Filmsequenz und nicht die Gesamtheit des Films betreffen, nicht von Bedeutung. Eine Kategorisierung von möglichen Funktionen muß in ihrer Anwendbarkeit sowohl das gleichzeitig mit einer Musik erscheinende Bild als auch die Gesamtheit der montierten Bildfolgen als filmische Narration gleichermaßen angemessen berücksichtigen. Nur aus isolierten

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