- 68 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Musik erleichtert also die Identifikation des Zuschauers mit dem Leinwandgeschehen. Sie verschafft ihm einen leichteren Zugang aus seiner Wirklichkeit heraus in die filmische Fiktion. Sie transportiert die Glaubhaftigkeit der im Film vorgetäuschten Realität und bewirkt eine emotionale Identifizierung.

Filmmusik hat eine strukturierende Funktion, wenn sie als ein »mehr oder weniger vager Reizhintergrund« die optischen Gestalten der Leinwand konturiert. De la Motte-Haber vermutet in der Wahrnehmung von Filmmusik einen psychologischen »Figur-Grund-Bezug«: zwar sei es nicht auszumachen, wie weit die menschliche Aufmerksamkeit willentlich gesteuert werden kann, doch nehme man an, daß die selbststeuernden Prozesse bei der filmischen Wahrnehmung herabgesetzt werden, so sei die Aufmerksamkeit mehr oder weniger unwillkürlich, die einem ständigen Wechsel unterliegt. Was deutlich hervorgehoben werden soll, muß daher besonders gekennzeichnet werden, beispielsweise durch Musik als Reizhintergrund, die auf Besonderheiten hinweist, ohne selbst zum Mittelpunkt zu werden, denn in erster Linie ist die Wahrnehmung des Bildes intendiert. Demnach bildet die Musik den Grund, in den das Bild eingebettet ist. Sie ist ein diffuser Hintergrund mit zugleich dynamisierenden Eigenschaften. Damit vermag sie die Konturen auf der Leinwand plastischer hervortreten zu lassen. Schmidt faßt diese Funktion zusammen: »Ohne Musik kann das Wichtige übersehen werden; mit Musik wird sogar das Banale bedeutungsvoll.«15

15 Schmidt 1982a, S. 172.

Affizierend ist Filmmusik, wenn sie als Reizmoment Affekte freigibt, die begriffslos sind und die vom Zuschauer auf die optisch konkreten Bilder projiziert und damit greifbar werden. Der Zuschauer wird also affektiv durch die Musik einbezogen. De la Motte-Haber schreibt hierzu: »Zum einen klärt die Verankerung im Erleben die Funktionen der Filmmusik auf und damit ihren Unterschied zum Kontemplation heischenden [...] autonomen Musikwerk. Zum anderen aber ermöglicht die Verankerung im Erleben eine Interpretation der Bedeutungseinheit von Bild und Musik. Wird mein Herz mit Regungen gefüllt, ohne daß ich das bewegende Etwas benennen könnte, so hefte ich, um den Ausfall der kognitiven Bewertung zu kompensieren, sie an andere, gleichzeitig einwirkende Ereignisse. Je konkreter diese sind, je bildlicher, desto deutlicher ausgeprägt sind dann Zuständlichkeiten. Daß der Zuschauer recht unspezifisch erregt werde, dies aber zur Bedeutungsaufladung des Bildes führe, ist der Sinn jener kurzen Stückchen Musik [...].«16

16 Motte-Haber/Emons 1980, S. 212.

4.1.5.  Syntaktische Funktionen

Im Gegensatz zu den bisher angeführten Kategorisierungen von Funktionen ist de la Motte-Haber bemüht, jenen – wie Kloppenburg meint – nicht logischen und schwer kommunikablen Systemen eine Klassifikation gegenüberzustellen, die stärker auf die rein strukturierend syntaktische Funktion der Filmmusik abzielt. Während alle bisher genannten Funktionen lediglich auf einzelne Szenen anwendbar sind, erläutert sie Funktionen, die nicht nur strukturierend in einer Szene wirken, sondern auch die Rolle der Musik den Aufbau des gesamten Films und seine Darbietung als Montage betreffend in den Vordergrund stellen. Ihre Klassifizierung greift Maas


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