- 67 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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konnotativen Funktionen spricht er, wenn die Bildebene durch Musik »gefühlsmäßig bereichert« wird, beispielsweise durch die stimmungsuntermalende mood-technique; eine Funktion, die in ihrer Bedeutung der affirmativen Bildinterpretation und -einstimmung Thiels nahekommt. Konnotativ fungiert Filmmusik auch als Bewegungsverdoppelung im Sinne des mickey-mousing, vergleichbar mit Thiels Bildillustration. Schließlich zählt Maas zu den konnotativen Funktionen auch die physiologische Stimulation des Zuschauers, beispielsweise durch das Mittel des Sensurround. In denotativer Funktion erhält Musik eine begrifflich faßbare Bedeutung, beispielsweise wenn sie durch Leitmotive auf einzelne im Bild an- oder abwesende Charaktere hinweist, wenn sie musikalisch historisches oder geographisches Kolorit vermittelt, wenn sie gesellschaftliche Zustände musikalisch klarstellt, wenn sie Denken oder andere unsichtbare Handlungselemente akustisch symbolisiert.12
12 Maas 1994, S. 38.
Interessant für die Fragestellung der autonomen Musik im Film ist die Tatsache, daß Maas auch das musikalische Zitat unter den Begriff der denotativen Funktionen faßt, es also als begrifflich faßbaren Verweis definiert. Im Zusammenhang der vorangestellten These wird dies näher zu erläutern sein. Wird Musik auf sich selbst verweisend zum Filminhalt, wie etwa ein gefilmtes Konzert, dann läßt sich die Funktion der Musik nach Maas als reflexiv und authentisch bezeichnen.

4.1.4.  Psychologische Funktionen

Schmidt teilt Funktionen von Musik im Film ebenfalls in drei Rubriken, allerdings basieren diese eher auf psychologischem und wahrnehmungs- bzw. wirkungsorientiertem Hintergrund: Filmmusik kann affirmativ, strukturierend oder affizierend sein.13

13 Schmidt 1982a, S. 172.
Während Thiel unter der affirmativen Bildinterpretation die Widerspiegelung der seelischen Verfassung der Leinwandhelden versteht – also in rein dramaturgischem Sinne – faßt Schmidt unter diese Funktion Musik, die insgesamt oder zu bestimmten Filmszenen die Glaubhaftigkeit der im Film dargestellten Realität im Sinne einer emotionalen Identifizierung bewirkt. Nicht vom Inhalt, sondern vom Zuschauer ausgehend, leitet er die Funktion der Musik von ihrer Wirkung auf diesen ab. Hierbei argumentiert er mit den Ausführungen de la Motte-Habers. Zur Frage der Wirkung von Musik vermutet sie, »daß es eher jene den Abbau von Ichfunktionen, d.h. den Abbau von Realitätsbezügen vermittelnden Prozesse sind, die die Wirkung von Musik ausmachen. Daß mit dem Rückzug aus dem Wachbewußtsein, mit dem Ausweichen aus der aktiven Wahrnehmung in die Phantasie gefühlshafte Zustände mobilisiert werden, deren Annehmlichkeit zweifelhaft ist, mag zusätzlich auch eine direkt angstlösende Funktion der Musik erklären; sie fügt Erlebnisse zum »als ob«, die Realität sind. [...] Eine akustisch vermittelte Raumwahrnehmung im Kino anzunehmen und zugleich von einer Reduktion der Objektbesetzungen, d.h. einer geminderten Erfahrung der Umgebung, auszugehen, zeigt das komplizierte Verhältnis der filmischen Wahrnehmung zur Realität. [...] Die Musik wahrt einerseits den realen Raum und setzt andererseits als stark gefühlsauslösendes Medium die Selbststeuerung herab. [...] Das »Als ob« gewinnt an Realität.«14
14 Motte-Haber/Emons 1980, S. 190–191.


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