- 64 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Eine Unterteilung wie etwa »Musik als Unterstreichung von Bewegungen«, »Musik in ihrer natürlichen Rolle« oder »Musik als Grundlage der Einfühlung« sollte hier nicht vorangestellt werden, sondern am Ende der Analyse stehen. Dies gilt besonders für Funktionen, die Inhalt und Dramaturgie eine Films betreffen. Sie dürfen der Analyse nicht als unflexible Kriterien vorangestellt werden. Filmmusik nach diesen Kriterien zu untersuchen erscheint wenig sinnvoll, da sie stark von dem subjektiven Eindruck, der individuellen Interpretationszielsetzung oder der ideologischen Haltung des Analysierenden abhängen. Wenn man Filmmusik anhand von a priori festgesetzten spezifischen Parametern untersucht, besteht die Gefahr, daß man den vom Gesamtkonzept eines Films jeweils abhängigen Eigenheiten und spezifischen Aufgaben der Filmmusik nicht gerecht wird. Als, so Brößke, unabdingbare Voraussetzung einer individuellen Interpretation und Funktionsbestimmung von Musik im Film gilt mitunter eine protokollarische Musikdarstellung und kein vorgefertigtes Funktionsraster. Aus diesem Grunde werden in den folgenden theoretischen Absätzen lediglich allgemeine Funktionskategorien genannt.

4.1.  Theoretische Modelle zur Funktionalität

4.1.1.  »Filmmusik, die man nicht hört«

Eine Auffassung von der Funktion von Filmmusik, die besonders Rudolf Arnheim prägte. Er drängte ihre Rolle auf die möglichst unauffällige Begleitung zurück; über die musikalische Begleitung im Stummfilm schreibt er:

»Filmmusik war immer nur dann gut, wenn man sie nicht bemerkte, und gute Musik ist zu schade zum Nichtbemerktwerden! Die Filmmusik war an sich kaum mehr als eine schlechte Angewohnheit, denn wer öfter Filme ohne Begleitmusik gesehen hatte, weiß, daß man sich sehr schnell daran gewöhnte und die Musik keineswegs vermißte.«3

3 Arnheim 1932, S. 304–305.

Die Tatsache, daß im Tonfilm Produzenten und Komponisten hinzutreten, die für jeden Film eine neue Filmmusik komponieren, veranlaßt Arnheim, der Filmmusik, die »nicht ohne künstlerischen Reiz ist«, zumindest einen den »Stimmungsgehalt« des Filmes »betonenden« Charakter zuzugestehen – eine Mühe, die »für den Tonfilm nicht so vertan ist wie für den stummen Film.«4

4 Arnheim 1932, S. 307.
Ein semantisches Verhältnis der Filmmusik zur Dramaturgie der Filmhandlung kommt für Arnheim jedoch nicht in Betracht. In dieser Hinsicht gesteht er ihr lediglich die Funktion des »Lückenbüßers« zu, der eintritt, »wenn dem Regisseur keine Geräusche einfallen.«

4.1.2.  Physiologische und ästhetische Funktionen

Kracauer unterscheidet mit dieser Einteilung von Funktionen zwischen Stumm- und Tonfilm. Die physiologische Funktion ordnet er dem stummen Film zu. Er geht – wie eingangs bereits erwähnt – von der Hypothese aus, daß Filmmusik eigentlich nicht wahrgenommen werden will. Ihre einzige Funktion besteht darin, »den Zuschauer dem Fluß der Bilder auf der Leinwand physiologisch anzupassen.«5

5 Kracauer 1996, S. 186.
Anpassung

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