- 60 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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  • Wird die Intensität der Musik nach ihrem Verklingen nicht fortgeführt, so empfindet der Zuschauer/Zuhörer eine Leere, die sich in eine intensive Erwartungshaltung umwandeln kann. Das Musikende ist sehr auffällig und akzentuiert – ähnlich wie das analoge Gegenstück des Musikeinsatzes – den jeweiligen Punkt von Handlungs- und Bildverlauf. Manche Regisseure verwenden diese Mittel des abrupten Musikabbruchs auch zu einer Art Kommentierung, als wollten sie den Hörer entlarven, sich der verführerischen Wirkung der Musik hingegeben zu haben. Dadurch wird ebenso das Inszenierte, Künstliche des Films deutlich: Musik soll nicht einlullen, sondern in solchen Fällen eher Distanz schaffen.
  • Ein weit verbreiteter, nach Schneiders Ansicht etwas billiger Effekt, ist das langsame Ausblenden einer Musik, nachdem sie die Filmbilder emotional eingefärbt und damit ihre Funktion erfüllt hat.
  • Eine weitere Möglichkeit ist, das Ende des Musiktakes in Geräuschen verschwinden zu lassen. Damit wird der »Innerlichkeit« der Musik das Äußere, die Realität der Geräusche entgegengesetzt. Für den Zuschauer kommt dieser Gegensatz oft einem Ortswechsel von »innen« nach »außen« gleich und wird als subjektiv bzw. objektiv empfunden.42
    42 Schneider 1986, S. 132–134.

3.2.6.  Musik und Geräusche

Im Idealfall müßte die Geräuschdramaturgie ein Teil der Musikdramaturgie sein; »Musik der Geräusche« nennt Lissa diese Verbindung. Geräusche im Film verschaffen mitunter die Wirklichkeit, der sie entstammen, in der etwas geschieht, in der Bewegung herrscht, die stets Geräusche verursacht. Sie sind also das akustische Korrelat der im Bild gezeigten Gegenstände.43

43 Vgl. Kap. 2.1, Auditive und Visuelle Schicht im Film.
Amerikanische Regisseure jedoch tendieren in der Regel zu einer sauberen Trennung von Musik und Geräuschen, sonst wäre die Gefahr einer »Seifenoper« perfekt (Zitat Nicos Mamangakis). Dieses konsequente Sich-Entscheiden »Musik oder Geräusche« ist für Schneider eines jener Merkmale, das der amerikanische Film im Durchschnitt gesehen dem deutschen Film voraushat: wenn im amerikanischen Film Musik für dramaturgisch wichtig erachtet wird, dann wird diese – oft über Szenenwechsel und Raumgrenzen hinweg – als Hauptträger der akustischen Schicht beibehalten, ohne daß durch Atmosphärenwechsel auf Geräuschebene große Brüche entstehen. Darüber hinaus kann eine fehlende Geräuschkulisse auch ihren Eigenwert haben. Sie kann z.B. in Verbindung mit einer im Bild gezeigten Person Einsamkeit und Stille ausdrücken.

Dennoch gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Musikdramaturgie mit der Geräuschebene zu verbinden. So kann in den Teilen eines Films, wo reale Geräusche unterdrückt werden und Musik konsequent als Hintergrund gewünscht wird, diese nicht nur eine Stimmung ausdrücken, sondern selbst die weggefallenen oder unterdrückten Geräusche stilisieren, d.h. sie nähert sich dem Geräusch an. Seit der Programmusik des 19. Jahrhunderts stehen den Komponisten zahlreiche kompositorische


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