- 59 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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und zu verstehen ist. In der Filmgeschichte sehr beliebt ist hier die Großaufnahme, die wie ein Possessivpronomen auf das umliegende Bildmaterial einwirkt: die Großaufnahme und der Einsatz der Musik bedeuten meist, daß diese Person diese Stimmung oder diesen musikalischen Gedanken in sich trägt. Fehlt diese Angabe der Hörerperspektive, so kann Musik vieldeutiger sein. Schneider stellt hierzu einige Modelle zu den verschiedensten Formen des Musikeinsatzes und ihrer semantischen Bedeutung vor:

  • Die Musik setzt unmittelbar mit dem Schnitt in einen neuen Raum ein. Musik wird hier stark vordergründig, meist auch als Bildton gehört. Nach de la Motte-Haber bittet die Musik hier lediglich, wachsam zu verfolgen, wohin die Kamera führt. Die unwillkürlich erfolgende Steuerung der Aufmerksamkeit durch akustische Signale muß so unauffällig sein, daß der Reiz selbst nicht zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wird. So werden die akustischen Signale zwar wahrgenommen, jedoch aktivieren sie nur; sie fördern die Wachsamkeit des Zuschauers, ohne selbst zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu werden.41
    41 Helga de la Motte-Haber: »Wirkungen der Filmmusik auf den Zuschauer.« Musica 34 (1980) 15.
  • Die Musikquelle wird im Bild gezeigt; der Musikeinsatz ist vorhersehbar, beispielsweise durch Einschalten eines Radios.
  • Musikeinsätze erfolgen oft auch als Reaktion auf Worte des Dialogs, wenn dadurch eine emotionale Spannung oder gar Wende auftritt.
  • Das Musikstück, das mit dem Blickkontakt zweier Personen beginnt, scheint die Intensität des »Energiestroms« zwischen beiden zu verstärken.
  • Musikeinsätze auf ein Geräusch oder eine punktuelle Aktion, z.B. Türenknallen, werden nur selten gebraucht; in einem solchen Falle dienen sie meist zur punktuellen Hervorhebung.
  • Leise Musikeinsätze, die bei Filmstellen mit einem großen Geräusche- Lautstärkepegel beginnen und plötzlich da sind, wenn der reale Lärm verflogen ist, wirken sehr expressiv, da sie im Gegensatz zu dem Lärm die Zartheit und Bescheidenheit des durch leise Musik Repräsentierten akzentuieren.
  • Musikeinsätze können karikieren, wenn sie auf einer betonten Nebensächlichkeit liegen.
  • Einsätze der Musik ohne dramaturgische Vorwarnung werden meist als Verstoß gegen die Hörgewohnheiten und als unsensibler Angriff auf das Ohr des Zuschauers als negativ gewertet.

Ende eines Musiktakes:

  • In der Regel wird die Präsenz von Musik bei ihrem Verklingen von einer anderen Ebene fortgeführt. Sehr typisch ist, daß die Musik endet und die Handlung sofort die gesamte Aufmerksamkeit des Zuschauers an sich reißt, so daß kein Spannungsloch entsteht.


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