werden kann, sondern viel besser mit »langsamer Musik«, die aus langen
melodischen Phrasen besteht, da eine Handlung im Bild vor dem Hintergrund dieser
Musik auf den Betrachter schneller wirkt als die Musik verläuft. Zu den wichtigsten
Aspekten des Rhythmus gehört die Frage, ob eine Filmmusik mehr »krumm« oder
»gerade« ist. Krumme Musik ist freimetrisch, rhythmisch flexibel und agogisch. Sie ist
nach Schneider in der zeitgenössischen Ästhetik immer seltener geworden. Meist
herrscht die geradtaktige, oft computerhaft maschinell produzierte planbare Musik
aus der Studioretorte. Kernstück dieser Tendenz: ungerade Taktarten werden
meist verworfen, es herrschen 4/4- oder 2/4-Takt, Filmkomponisten denken in
geraden Zahlen wie Vierteln, Achteln und Sechszehnteln. Auch der Dreiertakt von
Walzer und Menuett wird verworfen. Schneider steht dieser Tendenz zu geraden
Rhythmen sehr kritisch gegenüber. Sie wirken »wie ein überdeutlich kariertes Papier,
das man zu einer lebendigen Zeichnung legt, und das nun wie eine Meßlatte
jede Lebendigkeit unterwandert. Gerade Computertakte schaden dem Film
und machen seine Lebendigkeit hart und schroff«, da maschinell und technisch
produziert. Doch gerade der Film, der ein durch Technik produziertes Stück ist,
benötigt lebendige »krumme« Musik mit Temposchwankungen, freie Akzente
und lebendige Rhythmik, um das technische »Gemacht-Sein« des Films zu
überspielen.40
40 N. J. Schneider 1993b, S. 19–28.
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3.2.5. Einsatz und Ende eines Musiktakes
»Take« nennt man eine Musikstelle im Film. Der Punkt der Handlung oder der jeweilige
Bildgegenstand, der durch den Moment des Beginnens bzw. des Aufhörens von Musik
markiert wird, erhält in der Regel ein besonderes Gewicht. Bereits Adorno und Eisler
forderten, daß der Einsatz von Musik durch das Bild – die Handlung – sachlich motiviert
sein muß. Bloße musikalische Füllsel und vorgezeichnete Kompositionen am
Anfang und am Ende eines Films geschehen aus bloßer Rücksichtnahme auf den
Publikumsgeschmack und verderben den Effekt von Filmmusik. Doch der Musikeinsatz,
der jenseits jeden Füllsels unabhängig vom Bild entsteht, birgt für Schneider auch
gewisse dramaturgische Aufgaben: je unabhängiger der Musikeinsatz von einem
Bildakzent ist, desto mehr tritt durch die frei eintretende Musik ein neuer Aspekt in den
Film – als würde ein Raum um eine Dimension erweitert. Die Art, wie in einem Film
Musik einsetzt und endet, beeinflußt den Stil des Films im ganzen. Analog zur
»unsichtbaren Regie« auf der Bildebene ist es auch auf der Ebene der Musik bei vielen
Regisseuren verbreitet, die Musikeinsätze unhörbar oder zumindest unaufdringlich
zu gestalten. Die Musik kommt und geht unmerklich, als wäre sie im Film
immer vorhanden. Filmkomponisten, die eine andere Auffassung von Filmmusik
haben – die Musik eher als eigene kommentierende Ebene und nicht so sehr als
bildintegrierte Expressionsmusik auffassen, halten sich hingegen eher an das
Gegenteil. Musik soll als künstliches und bewußt gesetztes dramaturgisches
Mittel erkennbar sein. Für viele Regisseure ist dieses »mitten rein in die Musik«
eine Form von »musikalischer Aufstachelung«, von der eine stärkere Wirkung
ausgeht.
Der Musikeinsatz: Das Bild, das mit dem Musikeinsatz gekoppelt ist, gibt
Aufschluß über die Perspektive, aus welcher die Musik in ihrer Bedeutung zu hören
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