- 56 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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stärkerem Maße miteinbezogen. Es handelt sich dabei um eine fiktive Nähe.37
37 Knut Hickethier: Film- und Fernsehanalyse. Stuttgart 1993, S. 60.
Unter Einsatz eines Musiktakes wird diese Nähe – meist zu einer agierenden Person – zusätzlich auf eine bestimmte Weise emotional eingefärbt und erhält somit eine weitere semantische Dimension.

3.2.4.  Bildschnitt und Musikschnitt

Kontrastmontage und Montage des unsichtbaren Schnitts: Das eigentliche filmische Mittel, Beziehungen herzustellen, Sinneinheiten und damit Bedeutungszusammenhänge zu schaffen, ist die Montage. Durch sie werden Bildfolgen als Einstellungen – auch ohne jede inhaltliche Beziehungen – durch Schnitte zu bedeutungstragenden Einheiten zusammengefügt. Die Tatsache, daß Schnitte notwendig entstehen, Bildinhalte aufeinanderstoßen bzw. getrennt werden, wird in unterschiedlichen Gestaltungsvorgängen genutzt. Die Montage tritt zum einen im Film als künstlerisch intendierte Kontrastmontage38

38 Sergej M. Eisenstein: The Film Sense. London 1943, o. S., zit. n. Kloppenburg 1986, S. 55.
in Erscheinung. Im Spielfilm mit dominierend narrativer Struktur stößt man eher auf eine Art von Montage, die Hickethier mit der Montage des unsichtbaren Schnitts39
39 Hickethier 1993, S. 144.
. Nicht der Schnitt an sich ist hier das künstlerische Prinzip. Er soll vom Zuschauer möglichst nicht bewußt wahrgenommen werden. Er soll den Eindruck gewinnen, durch den Film hindurch wie »durch ein Transparent in eine andere Wirklichkeit zu schauen«. Um diesen Eindruck zu erzeugen, prallen die unterschiedlichen Einstellungsgrößen nie kontrastiv aufeinander, sondern werden in der Abfolge miteinander vermittelt, so als nähere sich der Zuschauer einem Geschehen an.

Collagen und Bildmontagen: Collagen oder lyrische Bildmontagen, in denen die Bilder gleichsam zu tanzen beginnen, sind immer nach der Musik als Primärem geschnitten. Wenn auf diese geschnitten wird, dann nur in den seltensten Fällen so exakt, daß die »Eins« eines Taktes mit dem Bildschnitt zusammenfällt. Dies funktioniert allenfalls zu punktuellen Hervorhebungen in der Bildebene, beispielsweise Schockwirkungen. Es sind Schnitte, die der Zuschauer bemerken soll; sie werden daher durch den Takt der Musik betont, so daß sie – weniger elegant als bei einer Abrundung, die durch den Musikschnitt auf ungeraden Taktteilen geschieht – gleichzeitig mit dem Schnitt einsetzt oder auf dem Schnitt die gerade Taktzeit liegt. Je synchroner Bild und Musik geschnitten sind, desto mehr ergibt sich der Eindruck des mechanistischen mickey-mousing. Damit nicht jeder Film, der nach Musik geschnitten wird, dem unbeliebtem Urteil des Trickfilmhaften verfällt, wird der Schnitt meist erst kurz nach der »Eins«, manchmal auch nach der »Drei« angelegt, oder der Cutter läßt ihn ganz frei springen. Dies läßt beiden Ebenen – dem Bild und der Musik – noch ein gewisses Maß an Selbständigkeit.

Rhythmus und Tempo: Wichtige Komponenten des Films sowohl für den Verlauf des Bild- als auch des Musikschnittes sind Rhythmus und Tempo, beide in Verbindung mit Bewegung. Die Widerspiegelung von Bewegungsvorgängen im Bild durch die Musik basiert weitgehend auf Konventionen der Filmgeschichte. Ihr musikalisches Äquivalent besteht in der Analogie von realem Raum der Bewegung


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