- 54 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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beitragen sollen. Kloppenburg sieht das Zitat im Film eher mit einigem Unbehagen, da Werk- und Wirkungsgeschichte absoluter Musik im Film auf spezifische Handlungsverläufe und die Montagetechnik prallt. Deshalb ist für ihn sehr schnell die Gefahr der Trivialisierung gegeben, wenn die Darbietung autonomer Musik nicht dramaturgisch gerechtfertigt ist.33
33 Vgl. Kap. 5.3, Das Zitat in der Filmmusik. Die Erläuterung des Zitats als einer filmmusikalischen Technik wird hier zugunsten anderer Techniken nur kurz angedeutet, da sie im Zusammenhang mit der These dieser Arbeit noch eingehender problematisiert wird.

3.2.3.  Musik und Kameraeinstellung

Musikalische Tableaus: De la Motte-Haber bezieht sich besonders auf die musikalischen Tableaus. Das sind Totale oder panoramierende Kameraschwenks, in denen der Fortgang der Handlung unterbrochen wird zugunsten eines Schwenks auf die Naturkulisse als Gegenzug zu menschlicher Aktivität. Daß auch »Stadtlandschaften« und »Seeschaften« unter diese Kategorie fallen, hängt vor allem damit zusammen, daß sie filmisch und film-musikalisch analog zur Landschaftsdarstellung behandelt werden. Gemeinsam ist allen diesen Tableaus das primäre Moment von Statik, auch dort wo ihnen beispielsweise bei einem Kameraschwenk über einen See noch Bewegung anhaftet. Helga de la Motte-Haber sieht die Anwesenheit von Musik bei einer solchen Kameraeinstellung als obligatorisch an. Die Abwesenheit von Aktion oder überhaupt von »menschlichen Elementen«, auf die die Musik einzugehen hätte – so meint auch Adorno – gibt der Musik größeren Bewegungsraum. Andererseits verlangt gerade die Lockerheit der Bildfolgen, die nicht durch einen dramaturgischen Zusammenhang getrieben werden, Rückhalt an artikulierten musikalischen Formen. Adorno sieht hier vor allem die Gefahr der Beziehungslosigkeit, daß die Musik – einmal losgelassen – nur auf sich selbst Bedacht nimmt und überwertig wird. Doch eine solch mögliche Autonomie der Musik wird dadurch ausgeglichen, daß sie dem Bildverlauf und der Kamerabewegung folgt.34

34 Adorno/Eisler 1976, S. 113.
Daß sich dieser Einsatz dennoch geradezu aufdrängt – und nicht selten als aufdringlich empfunden wird – hängt für de la Motte-Haber vordergründig damit zusammen, daß ein Bildton, beispielsweise Geräusche, den Gesamteindruck des Tableaus in Einzelteile zerlegen würde, das verallgemeinernde Wesen von Musik aber die stumme und reglose Natur zu beleben scheint und ihr jene »Aura« zurückgibt, die mit der Reduzierung auf das Foto verlorenging. Hintergründig sieht Motte-Haber, daß die Idee des Erhabenen, von der Kantschen Ästhetik am Bilde der Natur entwickelt und vom Film nicht selten zur »Monumentalpostkarte« reduziert, durch Musik gerettet werden könnte. Die Musik bekommt in einer solchen Kameraeinstellung eine neue Aufgabe: nicht nur Bewegungen zu imitieren, sondern darüber hinaus Gefühlsappelle zu formulieren. Diese werden jedoch in der Regel nicht direkt wahrgenommen, sondern für Widerspiegelungen bestimmter Eigenschaften der gezeigten Objekte oder Personen gehalten. Dies hängt damit zusammen, daß gerade Filmmusik diese Metaphern der Widerspiegelung von Eigenschaften oder Gefühlen ständig produziert, die nicht nur in der Programmusik etabliert sind. Das Phänomen des »musikalischen Bildes«, das eine Klangfläche darstellt, die vom Verlauf des Ganzen mehr

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