Filmhandlung möglichst synchron anpaßt – ein großflächiger musikalischer Teppich
entsteht.28
Underscoring in seiner extremsten Form ist das sogenannte mickey-mousing, benannt
nach Disneys Kreatur, die mit Steamboat Willie 1928 zum ersten Tontrickfilm-Star
wurde. Sie wird üblicherweise im Rahmen des Underscoring angewandt. Hierbei
imitiert die Musik die visuellen Ereignisse in Bewegung und Rhythmus. Die
Analogien zwischen Bewegungsvorgängen und deren Musikalisierung sind weitgehend
konventionalisiert: Bewegungen in der Vertikalen, beispielsweise ein Sprung in
Wasser, werden musikalisch im Parameter Tonhöhe umgesetzt. Horizontale
Abläufe, z.B. eine fahrende Eisenbahn, finden ihre musikalische Entsprechung im
Rhythmus. Das Aufeinandertreffen von Objekten wie Degen im Duell oder
einschlagende Kugeln im Gemäuer werden durch Akzente oder »Orchesterschläge«
umgesetzt.29
Während diese Technik im Stummfilm aufgrund der fehlenden Geräusche als berechtigt
angesehen wurde, ist der Begriff im Tonfilm in Verruf gekommen. Das mickey-mousing
verknüpft die Bewegungsdarstellungen meist mit gleichzeitiger Charakterisierung und
läßt die Bewegungen oft heroisch, tragisch, meist jedoch lächerlich erscheinen. Schneider
hält diese Technik daher lediglich in der Komödie für gerechtfertigt und im Falle einer
Filmmusik, die einer bestimmten Figur im Film zugeordnet sein soll. Hier sei es sinnvoll,
einige Bewegungspunkte dieser Person im Sinne von Synchronpunkten mit
Musikakzenten zusammenzulegen. Skeptisch verhält sich auch Motte-Haber
dieser Technik gegenüber. Die Gefahr liegt für sie in der Tatsache, daß sich die
Musik nur noch absolut synchron aber nicht mehr analog zum Bild verhält.
Dadurch bekommt der Gesamtkomplex etwas Künstliches: die Realität, wenn
auch nur die fiktive im Bild, wird zum willfährigen Komplizen musikalischer
Abläufe. Hier scheint einstweilen die realistische Kinokonzeption in jenes Genre
abzuweichen, aus dem sie kam: in den Zeichentrickfilm oder den experimentellen
Film. Im Spielfilm ist das mickey-mousing daher bevorzugt in solche Sequenzen
abgewandert, in denen das »Ballett der Objekte« durch die Fabel gerechtfertigt
ist.30
30 Motte-Haber/Emons 1980, S. 119–120.
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Meist wird es dort zu parodistischen Zwecken eingesetzt. Bazelon hingegen
betont entgegen den Vorurteilen jene Zeit der zwanziger Jahre, in denen das
mickey-mousing entstand: »It is easy today to take a pejorative attitude toward
the technique of Mickeymousing, but one must think of the practice in terms
of its time. In those days nobody really understood anything about film
music, and the filmmakers themselves were often as musically naive as their
audience.«31
31 Irwin Bazelon: Knowing the Score. Notes on Film Music. New York 1975,
S. 25.
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Auch Cohen verteidigt diese Technik gegen Vorurteile; er setzt der vermeintlichen Banalität des
mickey-mousing ein besseres Verständnis des Soundtrack durch irreguläre Bewegungsimitation
entgegen.32
32 Annabel J. Cohen: »Understanding Musical Soundtracks.« Empirical Studies of the Arts
8 (1990) 116.
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Das Zitat: Die Arbeit mit musikalischem Material, das aus anderen Kunstformen
entnommen und zur Filmmusik umgewandelt wird, ganz gleich ob in Anlehnung an einen
Stil oder als originales Gesamt-, Fragment- oder Stilzitat. Sie impliziert jedoch die
Problematik, daß Zitate als solche mit den ihnen eigenen Bedeutungen erkannt
werden müssen, wenn sie zum Sinnzusammenhang des Films
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