- 51 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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fest, daß Leitmotive im Film nicht nur einzelnen Filmgestalten zugeordnet werden, »sondern auch einem bestimmten Handlungsort, einer Situation, einer Emotion, einer bestimmten Zeit, ja sogar einer allgemeinen Idee.«18
18 Lissa 1965, S. 277.
Sind Leitmotive handelnden Personen oder Ideen, z.B. Schicksal, Freiheit oder Liebe zugeordnet, und dies auch noch konsequent den ganzen Film hindurch, so konkretisieren Leitmotive Bedeutungen. Die Melodie oder nur einzelne Motive können jedes Mal, wenn die betreffende Person, der das Leitmotiv zugeordnet ist, variiert werden. Veränderungen der Melodie deuten Veränderungen der Person an. Dies kann für die Bedeutung einer Sequenz sehr hilfreich sein, wenn diese selbst emotional neutral ist. Da diese Definition von Leitmotiv jedoch sehr einfach ist, ist sie zur bloßen Markierung der Person durch Musik sehr durchlässig.19
19 Roy Prendergast: A Neglected Art. A Critical Study of Music in Films. New York 1977, S. 220.
Dennoch sind Leitmotive zu äußerst konkreter Aussage fähig. Eine solche Technik setzt natürlich ein Publikum voraus, das Leitmotive wiedererkennt und sich ihrer charakterisierenden Funktionen bewußt ist. In der Filmliteratur wird diese Technik besonders Max Steiner zugeschrieben.

Das Leitthema: Während die Leitmotivtechnik heute nur noch vereinzelt angewandt wird, lebt dagegen eine modifizierte Form des Leitmotivgedankens fort: die Arbeit mit einem Leitthema. Prendergast bezeichnet diese Form der Filmkomposition als »entwickelnde Filmmusik« (developmental score).20

20 Prendergast 1977, S. 221.
Statt mehrerer wiederkehrender Motive findet sich lediglich ein größerer musikalischer Gedanke, der in der Regel in der Titelmusik ausladend exponiert wird. Dadurch prägt er sich beim Publikum ein und wird zu einem späteren Zeitpunkt wiedererkannt. Maas weist hier besonders auf die Tatsache hin, daß das Leitthema im Verlauf der Filmhandlung in angemessener Form wiederkehren kann, ohne daß eine »sklavische Abhängigkeit« zwischen Bildebene und thematischem Material intendiert ist. Der Nachspann greife dann üblicherweise die Titelmusik wieder auf.21
21 Maas 1994, S. 44.
Die Anlage, so deutet Prendergast vorsichtig an, erinnere an die Sonatenhauptsatzform: Exposition in der Titelmusik, verarbeitende Durchführung während der Filmhandlung, Nachspann als Reprise.22
22 Prendergast 1977, S. 221–222.
Vor allem in Filmen, deren Dramaturgie um eine einzelne Person ausgebaut sind, deren Erlebnisse Gegenstand des Films sind, kann die leitthematische Filmmusik zum Spiegelbild der Situation des Protagonisten gemacht werden.

Der Main-Title: Eine Steigerung des Leitmotivs und des Leitthemas ist der sogenannte main-title. Es ist nicht nur ein markantes kurzes Motiv oder Thema, das immer wiederkehrt, sondern in der Regel ein ganzer Satz. Ein in sich geschlossenes Musikstück wird oft gleich zu Beginn im Vorspann, aber auch im weiteren Verlauf der Filmmusik als Grundlage der kompositorischen Arbeit verwendet. Ob als Song, der in der Regel auch seine Präsentation durch handelnde Personen mit sich bringt, oder als Instrumentalstück, wird meist die Exposition eines main-title mehrmals im Film verwendet, um als Thema zur Geltung zu kommen.23

23 Kloppenburg 1986, S. 35.
Dieses Verfahren ist jedoch eher in Filmen möglich, in deren Dramaturgie Räume geschaffen werden, zu denen das Erklingen eines vollständigen musikalischen Satzes angemessen

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