heranziehen, verrät darüber hinaus wiederum ihren Hang
zur Idealisierung historischen Kulturgutes über die Nützlichkeit der reinen
Technik hinaus. Adorno, aus der Frankfurter Schule kommend, und Eisler hegen
pauschal Argwohn gegen jede leichte Unterhaltung, die ihrer Ideologie widerspricht.
Wagner selber definierte diese Technik weniger mit symbolischen als mit sehr
kompositionstechnisch pragmatischen Ausdrücken; zwar sprach er nicht vom
Leitmotiv, aber durchaus von »melodischen Momenten«, »Grundthemen« oder
»Ahnungsmotiven«. Anhand dieser Definition ist es unverständlich, warum eine
solche Technik nicht auch im Film anwendbar sein sollte. Gerade der Film,
der sehr oft mit der Technik der Ankündigung und Antizipation arbeitet, ist
prädestiniert für eine solche Musiktechnik. »Ahnungsmotive« haben hier umso größere
Wirkung, da die Musik nicht kontinuierlich wirkt und das Leitmotiv dadurch
nicht verschleiert wird – im Gegenteil: je diskontinuierlicher der Musikverlauf,
desto größer ist die Funktion des Leitmotivs, desto eindeutiger ist auch seine
Wirkung.
In dieselbe Richtung wie Adorno und Eisler gehen auch Thiels Ausführungen zur Leitmotivtechnik, wenn er schreibt, daß diese Technik angewendet wird, um »filmische Gesamtkunstwerke im Sinne des Wagnerschen Musikdramas zu schaffen. Die zumeist leitmotivisch durchkomponierte Musik hatte als Stimmungsträger eine führende Rolle zu spielen.«15 De la Motte-Haber hat im Gegensatz zu Adorno/Eisler Vorbehalte, die Leitmotivtechnik kompromißlos dem Bereich der Oper zuzuordnen. Prendergast geht sogar soweit, Adornos und Eislers der marxistischen Theorie verpflichteten Ausführungen als »relatively valueless« abzuqualifizieren. De la Motte-Haber sieht den Gebrauch von Leitmotiven in den dreißiger und vierziger Jahren vor allem darin, daß sie in den Anfängen des Tonfilms, als Vorgaben für die Integration von Film und Musik noch weitgehend fehlten, ein erste Form von Filmmusik darstellten. Auf diese Tradition beruft sich auch Kloppenburg, er betrachtet die Leitmotivtechnik als eine Konvention von Film und Musik, durch die Musik eine semiotisch-syntaktische Funktion übernehmen kann und dadurch in der Lage sein muß, sich ausdeutend zum Bild zu verhalten. Daß sie eigentlich eine Technik der autonomen Musik ist, ist für ihn eine beiläufige Tatsache.16 In dieselbe Richtung geht die Argumentation von Maas: gerade die Arbeit mit Leitmotiven ließe sich als Versuch deuten, die Musik ausdrücklich und in völliger Abhängigkeit an die Semantik des Filmbilds zu koppeln. Äußerlich betrachtet sei das Resultat eine inhaltliche Verdoppelung der Handlung durch die Begleitmusik. Allerdings könne durch ein gut gesetztes Leitmotiv eine Charakterisierung der mit dem Motiv verbundenen Person erfolgen, welche die visuelle Darstellung transzendiert.17 Zudem waren Leitmotive auch deshalb üblich, weil der Rückgriff auf ein Mittel der autonomen Musik das tradierte Verständnis des Komponisten rettete. Wie Maas sieht Motte-Haber den Gebrauch von Leitmotiven letztlich von der praktischen Seite: mit dem Leitmotiv kann antizipiert werden, was der zukünftige Gang der Handlung erst enthüllen wird; mit ihm kann mehr angezeigt werden als mit einem unspezifischen, wenngleich drohenden Paukenwirbel. Der Gegenstand der Zuordnung ist vielfältig: Lissa stellt |