Auch die Nürnberger Parteitage wurden mit der Ouvertüre zu Rienzi
eröffnet.25
25 Hanisch 1986, S. 642–645.
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In dieser Hinsicht nehmen Wagner und sein Bayreuther Tempel beim
Thema »Musik im Dritten Reich« naturgemäß eine besondere Stelle
ein.26
26 Vgl. auch Joseph Wulf: Musik im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Gütersloh
1963.
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Dies zeigte sich auch in der Propaganda-Maschinerie. Es ist anzunehmen, daß Wagner
neben Liszt auch in nationalsozialistischen Wochenschauen als kämpferische
Nazi-Attitüden regelmäßig herhalten mußte. Und so kommen wir zurück zum
»Walkürenritt« – ein Beispiel: eine nationalsozialistische Wochenschau zeigt die ersten
Bilder der sogenannten V2-Rakete (Vergeltungswaffen). Es ist anzunehmen, daß diese
Wochenschau erst im November 1944 oder möglicherweise noch später ausgestrahlt
wurde. Der Einsatz der V1 gegen England war mehr als ernüchternd ausgefallen, so daß
die zweite Vergeltungsgwaffe in der Propaganda entsprechend vorsichtig behandelt
wurde. Obwohl die V2 seit dem 7. September gegen England im Einsatz stand,
wurde sie erst am 8. November 1944 in offiziellen Berichten erwähnt, so daß
man davon ausgehen kann, daß auch die Bilder der Wochenschau erst um diese
Zeit ausgestrahlt wurden. Der Einsatz der V-Waffen geht auf den sogenannten
Vergeltungsgedanken zurück, der durch das Scheitern von Hitlers Englandpolitik
entstand.27
27 Vgl. hierzu auch Heinz Dieter Hölsken: Die V-Waffen. Entstehung – Propaganda –
Kriegseinsatz. (= Studien zur Zeitgeschichte, Bd. 27, hrsg. vom Institut für
Zeitgeschichte). Stuttgart 1984.
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Es war das Ziel der V-Waffen-Propaganda, nach dem Stimmungstief, das in der
Bevölkerung nach der Katastrophe von Stalingrad entstanden war, den Glauben an
den »Endsieg« wachzuhalten. Trotz der sich verschlechternden Kriegslage sollte der
Durchhaltewillen und die Widerstandskraft jedes einzelnen gestärkt werden. Die Goebbelsche
Strategie sah vor, die eigene Glaubwürdigkeit durch den Einsatz neuer Waffen zu
schüren. Nur völlig neue Entwicklungen wie eine Flugbombe und eine Rakete wie die V2
vermochten die Phantasie der kriegsgebeutelten Deutschen noch in erhofftem Maße zu
beflügeln und der Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende entgegenzukommen. Aus
heutiger Sicht, so Hölsken, erscheinen die V-Waffen eher wie die Schöpfung eines
Propagandisten als wie das Produkt militärischer Planung. »Das Wunder ist des Glaubens
liebstes Kind« – getreu seiner Maxime hatte Goebbels der Phantasie der Deutschen im
Falle der V-Waffen bewußt Raum gelassen. Diese Phantasie sollte dementsprechend
als Verstärker der Propaganda wirken. Die Empfänger wurden auf diesem Wege zu
Opfern ihrer eigenen Sehnsüchte. Insofern waren die V-Waffen angesichts einer sich
verschlechternden Kriegssituation eine ideale Ausrede der Verantwortlichen, indem
sie einerseits Hoffnungen nährten, andererseits ein Ausweichen vor präzisen Fragen
ermöglichten, da man sich jederzeit auf die nötige Geheimhaltung berufen konnte. In
dieser Hinsicht machte die V-Waffen-Propaganda süchtig, und genau das war ihr
Zweck. Sie war jedoch ein Spiel auf Zeit. Nach der V2 kam nichts mehr, was Erfolg
versprach.28
28 Hölsken 1984, S. 112–114.
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Ein Volk, das sich nicht länger vor den Karren des »totalen Krieges« spannen lassen
wollte, mußte also angesichts der allgemeinen Hoffnungslosigkeit umso lauter und
pompöser »überzeugt« werden. Welches Werk wäre für die Propagandisten also
geeigneter gewesen als Wagners »Walkürenritt«? Ein orchestrales Ultimatum, das in
seinem Ausdruck zumindest die Hoffnung auf den schmetternden
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