- 442 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Oper inspiriert ist mit Arien, Duetten (Willard und Kilgore, Willard und Kurtz), Soli (Kurtz), Chor (Soldaten und Bunnies) und Rezitativen (Szenen auf dem Boot). Die Dialoge, so Viviani, seien ausgesprochen lyrisch. Je mehr der Film auf das veritable Operndekor der Schlußszenen zuläuft, desto mehr Personen erscheinen mit Schminkmasken, die ans Theater denken lassen.19
19 Jansen 1985, S. 138.
Auch die Gesamtstruktur des Films ist mit den fünf Akten eines Bühnenstücks vergleichbar: das Hauptquartier in Nha Trang/Kilgores »Walkürenritt«/die Show von Hau Phat/der Beschuß der Do Lung-Brücke/Kurtz’ Lager. Dies sind nicht nur Stationen auf Willards Reise »aus dem Reich der Notwendigkeiten (Politik) in das der Philosophie (Mythos)« (Jansen), sie bilden auch fünf »filmische Aufzüge«. So stellt auch der Hubschrauberangriff einen eigenen Akt dar. Er beginnt wie alle übrigen Szenen mit dem großen Tableau der kompletten, offenen Bühne. Diese wird immer mehr zum Schau-Platz. Dieses vom Theater inspirierte Arrangement erreicht mit der unwirklichen Tempelstadt seinen artifiziellen Höhepunkt. Dabei vermischen sich Bühnenelemente mit denen amerikanischer Freizeit- und Showkultur. So gleicht die Aufmachung an der Do Lung-Brücke mit ihren unzähligen Glühlampen einer kitschigen Weihnachtsdekoration wie man sie an den Kaufhausboulevards westlicher Städte vorfindet. Lance erinnert sie an Disneyland: »Der Hinweis hat seine strukturelle Funktion als Hinweis auf Struktur: auf die Exposition (Na Trang) folgt: der wagnerianische Wahn (Kilgore), folgt: die Musical-Show (Hau Phat), folgt Disneyland (Do Lung-Brücke), folgt die Metropolitan Opera (Kurtz’ Lager). Es ist das komplette Amalgam amerikanischer Show- und Bühnenkultur.«20
20 Jansen 1985, S. 139.
In dieser Hinsicht fügt sich auch der Wagnersche Kontext des Bühnenfestspiels nahtlos in die Dramaturgie ein, wobei Kilgores »Walkürenritt« als dem zweiten Aufzug die Aufgabe des Konfliktaufbaus zwischen Moral und Mission des Militärs zukommt. Aus dieser dramaturgischen Perspektive weist das Zitat über seinen ursprünglichen Kontext hinaus auf seine eigene filmische Rezeptionsgeschichte.

Der »Walkürenritt« ist eines der populärsten Orchesterstücke Wagners geworden. Sowohl im Konzertsaal als auch im Film verfehlt er nie seine Wirkung. Als Filmmusik ist er neben anderen Zitaten aus Lohengrin, Tristan und dem Ring der absolute Favorit. Eisenstein war bereits ein großer Bewunderer Wagners. Wo und wie oft Wagner als Filmmusik verwendet wurde, so Müller21

21 Ulrich Müller: »Richard Wagner in der Literatur und im Film.« In: Ulrich Müller/Peter Wapnewski (Hrsg.): Richard-Wagner-Handbuch. Stuttgart 1986, S. 722. Müller verweist in diesem Zusammenhang auf E. Comuzio/G. Ghigi (Hrsg.): L’immagine in me nascota. Richard Wagner: Un itinerario cinematografico. Venedig 1983.
, läßt sich nicht genau feststellen. Tatsache ist jedoch, daß Wagners Musik aufgrund der ihr immanenten Dramatik für ihren Einsatz als Filmmusik prädestiniert ist. So wurden Wagner-Stücke oft als Ausdruckssignum für Leidenschaft, Geheimnisse, Krieg und Kampf eingesetzt. Müller nennt hier zahlreiche Filmbeispiele, u.a. Le testament d’Orphée/Das Testament des Orpheus von Jean Cocteau aus dem Jahre 1960, Federico Fellinis Otto e mezzo/Achteinhalb (Italien/Frankreich 1962), Black Moon von Louis Malle (1975) oder Werner Herzogs Nosferatu (BR Deutschland 1978). Zu den herausragendsten Filmen, in denen Wagner als Filmmusik eingesetzt wird, zählen

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