voraus.10
Dieser Satz zählt längst zu den wohl meistzitierten filmtheoretischen Proklamationen.
Er ist die prägnante Formel für Kracauers Ansatz, der, so Adorno in seinem
Nachruf auf den Schriftsteller und Kritiker, »die Filmkritik in Deutschland
überhaupt erst aufs Niveau gebracht hat, indem er den Film als Chiffre
gesellschaftlicher Tendenzen, von Gedankenkontrolle und ideologischer Beherrschung,
las.«11
11 Theodor W. Adorno, zit. n. Reinecke 1993, S. 10.
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Eine ideologiekritische Filmanalyse, so Reinecke, ist demzufolge Entzifferungsarbeit, die dem
Ziel verpflichtet ist, die verborgenen Ängste und Hoffnungen, die auf den Leinwänden
zum Vorschein kommen, herauszupräparieren: »Die ideologiekritische Methode fußt
somit auf der Erkenntnis, daß Filme nicht allein immanent zu entschlüsseln sind,
sondern daß es der Einbettung in soziale, historische und ästhetische Kontexte
bedarf.«12
Apocalypse Now ist Coppola zufolge eine Reise, bei der es um eine »geistige
Vorstellung« von Vietnam geht. Sein Film sei keine realistische Geschichte, er richte sich
vielmehr an die Emotionen des Zuschauers. Es ist die Strategie des Films, den
Zuschauer an die Hand zu nehmen, um ihn letztlich zur Perspektive des Films zu
verführen.13
13 Peter W. Jansen: »Kommentierte Filmografie.« In: Peter W. Jansen/Wolfram Schütte
(Hrsg.): Francis Ford Coppola. Reihe Film 33. München 1985, S. 136.
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Wie bei Kubrick gehört zur Strategie der Emotionalisierung auch bei Coppola die Musik.
Durch sie garantiert er den obengenannten sozialen, historischen und ästhetischen
Kontext. Die Musik vermag jene psychologischen »Bewußtseinsdimensionen«
amerikanischer Zuschauer widerzuspiegeln. So eröffnet Coppola den Film mit dem Song
»This is the end, beautiful friend, the end« der Rockgruppe The Doors. Mit Dale
Hawkins, Stanley Lewis und Eleanor Broadwater (»Susie Q«) durchpulst der Beat den
Film. Lance nennt eine Nebelgranate »purple haze« und spielt damit ebenso auf Jimi
Hendrix an wie Clean, der um seine Afrofrisur ein rotes Stirnband bindet. Hinzu
kommen die vielen Hinweise auf Drogen – Lance, Chef und Clean rauchen unentwegt
Marihuana, Lance wirft sich an der Do Lung-Brücke Acid rein und findet den
mörderischen Feuerüberfall »beautiful«, der Fotograf ist ständig high. Insofern, so
Christopher Sharrett, ist diese Reise auch ein Trip, »eine Reise durch die amerikanische
Kultur.«14
Einen Gegensatz dazu bilden die zahlreichen an die Avantgarde angelehnten
Synthesizerkompositionen von Carmine und Francis Ford Coppola. Mit ihren
verwirrenden Klang- und Melodiestrukturen zeichnen sie Willards äußere wie
innere Odyssee nach, die sich zunehmend in Konfusion und Selbstzerstörung
hineinsteigert. Die Grenzen zwischen Normalität und Horror verschwimmen
kontinuierlich. Der verstörende Synthesizersound bildet hierzu das musikalische
Pendant.
Coppolas deutlichste Strategie der emotionalen Führung des Zuschauers durch die
Musik ist das Zitat des »Walkürenritts«, die Einleitung zum dritten Aufzug der Walküre
von Richard Wagner. Nirgendwo im Film porträtiert Coppola die Vernichtungswut der
Amerikaner deutlicher als in dieser Szene. Obwohl Colonel Kilgore das vietnamesische
Dorf Vin Drin Dop zunächst als »gemeingefährlich« bezeichnet, entschließt er sich
dennoch zu einem Angriff, als er hört, daß es dort »phantastische zwei Meter hohe
Wellengipfel« gibt – denn »Charlie surft nicht.« Kilgore, der stets
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